Waisenkinder

Kinder außen vor: Die Situation von Waisenkindern weltweit

Waisenkinder und Kinder ohne elterliche Betreuung bedürfen eines besonderen Schutzes und einer besonderen Fürsorge. Trotzdem werden ihre speziellen Bedürfnisse häufig ignoriert und ihre Rechte verletzt.

Der Status von Waisenkindern, ihre Überlebens- und Entwicklungschancen sind auch ein Maßstab dafür, wie es um die allgemeinen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Bedingungen in einem Staat und einer Gesellschaft bestellt ist. Obwohl sich in Teilbereichen und in bestimmten Regionen die Situation für Waisenkinder verbessert hat, kann aber keineswegs Entwarnung gegeben werden, im Gegenteil. Schon bloße Zahlen erschrecken.

Was ist ein Waisenkind?

Als Waisenkind wird ein Kind bezeichnet, das einen oder beide Elternteile verloren hat. Man unterscheidet zwischen Vollwaisen und Halbwaisen. Kinder, die nur noch einen Elternteil haben, nennt man Halbwaisen. Etwa ein Zehntel aller weltweiten Waisenkinder haben sowohl Mutter als auch Vater verloren: Sie sind Vollwaisen.

Wie viele Waisenkinder gibt es auf der Welt?

Nach UN-Schätzungen gibt es etwa 147 Millionen Waisenkinder weltweit (2021). Eine verlässliche Gesamtzahl aller Waisenkinder gibt es jedoch nicht. In vielen Ländern gibt es keine statistischen Erhebungen zu Kindern, die ohne Eltern oder andere Betreuungspersonen aufwachsen. Dies kann durchaus als Zeichen dafür verstanden werden, dass diese Kinder keine oder nur unzureichende Unterstützung bekommen, ihre Existenz verschleiert wird und kein ernsthafter politischer Wille besteht, sich um ihr Wohlergehen zu kümmern.

 

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Stigma und Überlebenskampf der Waisenkinder

Die Hauptursache, aus der Kinder zu Waisen werden, ist Armut, sei es als direkte oder indirekte Ursache - Foto: D. Sansoni

Tatsache ist, dass viele Millionen Kinder auf weltweit ohne elterliche Betreuung aufwachsen - ob nun als Voll- oder Halbwaisen oder weil Familien nicht in der Lage sind, sich um ihre Kinder zu kümmern. Ein Blick auf verschiedene Länder in verschiedenen Kontinenten verdeutlicht die unterschiedlichen Gründe für den Verlust der Herkunftsfamilie. Weitere Punkte sind: Welche alternativen Betreuungsformen für Kinder gibt es? Welchen gesellschaftlichen Status haben Waisenkinder? Und in welchem Ausmaß spiegeln die oftmals kritischen Lebensbedingungen von Waisenkindern und Kindern ohne elterliche Fürsorge die allgemeine Kinderrechtslage im jeweiligen Land wider?

Alternative Betreuung häufig unzureichend

Bewaffnete Konflikte zerstören mehr Schicksale, als durch bloßes Zählen der Todesopfer ausgedrückt werden kann - Foto: R. Fleischanderl

So gut wie alle Staaten der Welt haben die UN-Konvention über die Rechte des Kindes ratifiziert, was sich auch in Gesetzgebungen und staatlichen Initiativen zum Schutz von Kindern niederschlägt. Auch gibt es mittlerweile Empfehlungen und Maßnahmenkataloge wie z.B. die UN-Richtlinien zur alternativen Betreuung von Kindern (an denen die SOS-Kinderdörfer maßgeblich mitgearbeitet haben), die klare Vorgaben und Standards für eine qualitätsvolle, kindgerechte, die Interessen jedes einzelnen Kindes wahrnehmende alternative Betreuung außerhalb der leiblichen Familie definieren. In der Realität ist die Betreuungspraxis in vielen Bereichen jedoch meilenweit von diesen Empfehlungen entfernt - bis hin zum Extremfall, dass ein Kind überhaupt kein Zuhause und keine Bezugspersonen hat.

 

Viele Staaten versuchen zwar, ein Minimum an Standards in Betreuungseinrichtungen zu garantieren, es mangelt aber oft an materiellen und personellen Ressourcen und an den nötigen Mechanismen, um die Betreuungsqualität auch zu kontrollieren. Sehr oft ist die institutionelle Betreuung von Kindern etwa in Heimen und Waisenhäusern nach traditioneller Art die einzige Antwort auf den Verlust der Herkunftsfamilie; familiennahe Modelle (z. B. Pflegeelternschaft, kleine familiennah gestaltete Betreuungseinheiten wie in den SOS-Kinderdörfern, Adoption) sind Einzelphänomene.

Waisenkinder im südlichen Afrika

Millionen von Kindern sind durch HIV/AIDS zu Waisen geworden

Auf Grund der hohen Zahl von Waisenkindern im südlichen Afrika ist die am meisten verbreitete Form der Betreuung im informellen Bereich "geregelt", sprich in der Betreuung innerhalb der erweiterten Familie oder durch Gemeindemitglieder. In sehr vielen Fällen haben aber die Familienverbände (Großeltern, ältere Kinder als Familienvorstand) selbst kaum Mittel, um die Kinder mit dem Notwendigsten zu versorgen. Institutionelle Betreuungseinrichtungen wie Kinderheime vermehren sich in Ländern wie zum Beispiel in Simbabwe zwar rasant, nur mangelt es gravierend an adäquater Infrastruktur, entsprechenden Qualifikationen des pädagogischen Personals und Kinderschutzmaßnahmen. Finanzielle und beratende Unterstützung sowie Qualitätskontrollen vom Staat gibt es oft nur unzureichend oder gar nicht.

 

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Waisenbetreuung in den Ländern des ehemaligen Ostblocks

In Osteuropa schließen immer mehr staatliche Heime, stattdessen sollen die Kinder bei Pflegefamilien, in Kleingruppen oder bei Verwandten aufwachsen.

Lange Zeit waren osteuropäische Heime Inbegriff für Vernachlässigung und erschütternde Zustände, wie sie nach der Wende 1989 im rumänischen Kinderheim Cighid aufgedeckt wurden.

In der Sowjetunion und anderen Ostblock-Staaten war Heimbetreuung flächendeckende Norm und der Staat positionierte sich oftmals per se als der angeblich bessere Erzieher. Vor allem auch Kinder mit Behinderungen wurden von ihren Eltern häufig in Heime abgeschoben.

Nach dem Ende des Kommunismus stieg die Zahl der Sozialwaisen weiter an: 2012 lebten in den Ländern des ehemaligen Ostblocks mehr als 600.000 Kinder in öffentlichen Heimen.

In den Nachfolgestaaten hat mittlerweile die Deinstitutionalisierung der Kinderfürsorge große Fortschritte gemacht, d.h. die Ablöse großer Institutionen durch klein strukturierte, im Idealfall an Familiensystemen orientierte Betreuungseinheiten.
Die SOS-Kinderdörfer sind in vielen Ländern Ost- und Zentraleuropas maßgeblich an den Prozessen beteiligt.

Extreme Benachteiligung von Waisenkindern

Das exponierte, de facto lebensgefährliche Leben auf der Straße ist die letzte Station eines Kindes, das nicht in seiner Herkunftsfamilie leben kann. Aber auch Kinder ohne biologische Familie, die in irgendeiner Form betreut werden, leben in dem Risiko, weitaus geringere Möglichkeiten für eine gesunde Entwicklung und ein förderliches Umfeld zu haben als ihre Altersgenossen mit Familie. Das Bedrohungsspektrum ist groß und reicht von extremer Benachteiligung (unzureichender Zugang zu Bildung, zu medizinischer Versorgung, zu ausgewogener Ernährung etc.) über gesellschaftliche Stigmatisierung und Marginalisierung bis hin zur Tatsache, dass der Verlust der Familie grundsätzlich ein schweres Trauma darstellt, das einen Menschen ein Leben lang begleitet - und unter Umständen schwer beeinträchtigt, wenn er im Kindesalter keine Hilfestellung bei der Bewältigung erfahren hat. Waisenkinder erleiden nachweislich massive Formen der Diskriminierung, sei es, dass ihnen das Erbe vorenthalten wird und ihnen z.B. innerhalb der erweiterten Familie leibliche Kinder der Ersatzeltern vorgezogen werden, sei es, dass sie Gewalt, Ausbeutung und Missbrauch erleiden müssen , dass über ihr Schicksal entschieden wird ohne irgendeine Möglichkeit der Mitsprache, sei es, dass sie beschränkte Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten vorfinden, sei es, dass sie wie im Fall von minderjährigen Mädchen in Nepal früher verheiratet werden, sei es, dass sie mit Erreichen der Volljährigkeit aus der Betreuung entlassen werden und nicht wissen wohin.

Das Stigma des Verlassenseins

In vielen Fällen ist das Klischee vom Waisenkind, das zum Scheitern verurteilt ist eine Prophezeiung, die sich selbst erfüllt - Foto: K. Iievska

An Waisenkindern haftet der Nimbus des Unglücks, auch wenn viele Menschen für verwaiste und verlassene Kinder tiefes Mitgefühl empfinden und auch den Wunsch, etwas für sie tun. Die Lebensrealitäten vieler Millionen Kinder ohne elterliche Betreuung bleiben davon allerdings unberührt. Die gesellschaftliche Wahrnehmung und Stereotype, dass Waisenkinder es zu nichts bringen und ihr Leben nicht bewältigen werden, wirken sich fatal auf die gesamtgesellschaftliche Verantwortung für die schwächsten Mitglieder aus. Das kann extreme Formen annehmen wie in Nepal, wo Kindern manchmal die Schuld am Tod der Eltern gegeben wird, oder weniger auffällige wie in der grundsätzlichen Haltung, der Staat müsse sich kümmern.

Mangelnde Hinwendung, inadäquate Fürsorge, Ignoranz und Diskriminierung können auf dramatische Weise das Trauma von Waisenkindern intensivieren und letztlich dafür sorgen, dass sie es wirklich nicht schaffen.

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