04. April 2016 | NEWS

Ein Arzt für 100.000 Menschen

Weltgesundheitstag: Grundversorgung in vielen Ländern noch mangelhaft

In anderen Ländern kann schon eine kleine Wunde böse Folgen haben – auch im Jahr 2016 sieht es in vielen Teilen der Welt mit der Gesundheitsversorgung noch sehr schlecht aus. Genau darauf will die Weltgesundheitsorganisation WHO wieder am 7. April, dem Weltgesundheitstag, aufmerksam machen. Louay Yassin, Pressesprecher der SOS-Kinderdörfer, spricht im Interview über die größten medizinischen Probleme.

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In SOS-Kliniken werden vor allem Kinder und Mütter versorgt.Kinder bekommen dort auch Schutzimpfungen. Foto: SOS-Archiv

Herr Yassin, hierzulande holt man sich bei einem soliden Schnupfen etwas aus der Apotheke oder geht direkt zum Arzt. Dieser oder sogar eine Klinik ist oft nur ein paar Straßen weiter. Von solchen Zuständen können die Menschen in vielen Teilen der Welt ja nur träumen!

Das ist völlig richtig. Wir in Deutschland meckern ja schnell, wenn wir mal eine Stunde oder zwei beim Arzt warten müssen. Dabei haben wir hier durchschnittlich einen Arzt für zweihundert Menschen. Ganz anders schaut das in armen Ländern aus: Zum Beispiel in Somalia gibt es durchschnittlich nur einen Arzt für 30.000 Menschen. Im Niger, Malawi oder Liberia sogar nur einen Arzt für 100.000 Menschen! Da stellt man sich dann nicht die Frage, „Wann kann ich zum Arzt?“ oder „Wie lange muss ich dort warten?“, sondern „Habe ich überhaupt die Möglichkeit, zu einem Arzt zu gelangen?“.

Welches sind denn die schlimmsten medizinischen Probleme? Ist es global betrachtet nach wie vor HIV? Ist es Mangelernährung? Oder sind es die hygienischen Zustände?

Um ganz ehrlich zu sein, in diesen Ländern sind praktisch alle medizinischen Probleme schlimm. Wenn Sie ein gebrochenes Bein haben und die nächste Klinik oder der nächste Arzt sind 300 Kilometer entfernt, müssen Sie erst mal dorthin kommen. Hinzu kommt, dass sich die meisten Leute in armen Ländern eine Behandlung überhaupt nicht leisten können. Was machen Sie, wenn Ihr Kind eine schwere Lungenentzündung hat oder Ihr Partner hat AIDS? Diese Behandlungen können sich sehr viele Menschen nicht leisten und Gesundheitssysteme sind oftmals überhaupt nicht existent in diesen Ländern.

Seit Jahrzehnten wird darüber geredet, dass gerade in Afrika, aber auch in anderen Regionen unbedingt etwas getan werden muss. Ist denn Ihrer Erfahrung nach etwas passiert? Bekommen die Menschen dort mehr  Hilfe und Unterstützung als noch vor 10 bis 15 Jahren?

Ja durchaus! In Afrika konnte zum Beispiel die Sterblichkeitsrate von Kindern unter 5 Jahren zwischen 1990 und 2015 stark gesenkt werden. Auch die Müttersterblichkeitsrate sank in dieser Zeit deutlich.

Woran liegt es denn, dass es für Millionen Menschen immer noch keine vernünftige Grundversorgung gibt? Fehlt das Geld, der Wille?

Letztendlich liegt alles am Geld. Medizinische Versorgung kostet Geld, Medikamente ebenso. Und viele Menschen haben dieses Geld nicht. Ebenso wenig wie die Staaten, in denen sie wohnen. Deshalb betreiben die SOS-Kinderdörfer zum Beispiel in Liberia und Somalia Kliniken, in denen Menschen umsonst behandelt werden können.

Wie muss man sich eigentlich den Alltag in so einer SOS-Klinik vorstellen? So wie wir es kennen – mit Terminen und Wartezimmer – dürfte es vermutlich wenig zu tun haben, oder?

Das sieht ganz anders aus. Da kommen die Menschen einfach in die Klinik und stehen draußen  Schlange, denn Wartezimmer gibt es häufig auch nicht. Und dann wird die Schlange abgearbeitet. Manchmal müssen die Menschen tagelang warten, weil es so viele sind. Und dabei ist die Situation in den SOS-Kliniken natürlich noch deutlich besser als in staatlichen Kliniken.

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