Ein Jahr nach der Ebola-Quarantäne

Familienschicksal in Liberia: Yatta und ihre 9 Kinder haben überlebt, doch sie leiden unter den Folgen der Epidemie

21 Tage stand ihre Nachbarschaft unter Ebola-Quarantäne: Yatta und ihre neun Kinder bangten um ihr Leben. Ein Jahr ist seitdem vergangen. Wie ist die Lage der Familie in Liberia heute?


Die Angst vor Ebola bleibt allgegenwärtig: Eine Frau  in West Point, einem Slum von Monrovia, der im August 2014 unter Quarantäne stand - Foto: Daniel van Moll

"Drei in unserer Siedlung wurden krank und starben, einer davon gleich bei uns in der Nähe", erzählt Yatta (45). Ebola-Teams in Schutzanzügen bargen die Leichen – und von einem Tag auf den anderen waren alle Zufahrtswege abgeriegelt. Die gesamte Nachbarschaft, eine Ansammlung armer Hütten an einer Ausfallstraße der liberianischen Hauptstadt Monrovia, stand unter Quarantäne. "Niemand durfte mehr rein oder raus, für 21 unendlich lange Tage", sagt die alleinerziehende Mutter, deren neun Kinder zwischen sieben und 14 Jahre alt sind.

Vor einem Jahr, im Sommer 2014, war die Ebola-Epidemie in Westafrika völlig außer Kontrolle geraten. In Monrovias Straßen lagen Tote. Die Armee und die Polizei sperrten ganze Viertel ab. Straßenschlachten mit aufgebrachten Bewohnern, wie etwa in Monrovias riesigem Slum West Point, gab es in Yattas Nachbarschaft nicht. Sie lebt im Vorort Paynesville. Dort waren es nicht Sicherheitskräfte mit Schlagstöcken und Gewehren, die die Absperrungen Tag und Nacht überwachten, sondern zivile Mitarbeiter der lokalen Behörden, in T-Shirts mit der Aufschrift "EBOLA TASK FORCE".

Hunger in der Quarantäne-Zone

"Die meisten hier haben verstanden, dass Ebola bekämpft werden muss, aber es gab auch einige, die in Panik gerieten", sagt Yatta. 21 Tage dauerte die Quarantäne - eine Ewigkeit, wenn man mit der Angst vor tödlicher Ansteckung eingesperrt ist und die Vorräte zur Neige gehen.

"Die Behörden versorgten uns nicht mit Lebensmitteln", berichtet die alleinerziehende Mutter. "Meine Kinder und ich, wir mussten hungern."

Mit zunehmender Quarantänedauer wuchs der Unmut in der Siedlung. "Doch die Menschen hier haben zusammengehalten, irgendwie haben wir es geschafft." Dann, nach 21 Tagen, zogen die Posten wieder ab.

Liberia ist heute Ebola-frei, doch die Armut ist groß


"Meine Kinder sollen es einmal besser haben als ich": Yatta und ihre neun Kinder mit SOS-Sozialarbeiterin Annie - Foto: Philipp Hedemann

Liberia wurde von der Ebola-Epidemie besonders schwer getroffen, das tödliche Virus forderte dort nach WHO-Angaben über 4800 Tote. Heute gilt das westafrikanische Land als Ebola-frei. "Die Leute haben zwar noch Angst: Sie vermeiden Berührungen und vor allem den Kontakt zu Kranken", sagt Yatta. "Aber der Alltag ist fast wie zuvor." Immer noch gibt es Hunger in ihrer Nachbarschaft. "Doch das war vorher schon so."

Liberias ohnehin schwache Wirtschaft erholt sich nur allmählich von der monatelangen Lähmung durch die Ebola-Krise. Felder lagen brach und viele Liberianer haben ihren Job verloren, weil ihre Arbeitgeber während der Epidemie das Land verlassen haben und seitdem nicht zurückgekehrt sind. Das spüren vor allem die Ärmsten: die vielen Tagelöhner in Yattas Siedlung und Frauen, die wie sie als Marktfrauen oder Kleinhändlerinnen ihr Geld verdienen und deren Einkommen weggebrochen ist.

Auch Yattas kleines Geschäft läuft nur noch mehr recht als schlecht. Sie kocht Fufu, einen Brei aus Maniok, mit pikanter Sauce. Das Essen verkauft sie auf dem kleinen Marktplatz direkt vor ihrer Hütte. Bei der Gründung ihres Kleingewerbes unterstützte sie die Familienhilfe der SOS-Kinderdörfer. Ein Mikrokredit ermöglichte ihr den Bau einer kleinen Küche und eines Marktstandes. Die Witwe, die ihren ersten Mann während des liberianischen Bürgerkriegs verlor und von ihrem zweiten Mann sitzengelassen wurde, schien kurz vor Ausbruch der Ebola-Krise das Schlimmste geschafft zu haben. Die fleißige Kleinunternehmerin hatte den Mikrokredit zurückgezahlt. Das Geld reichte auch um ihre neun Kinder zur Schule zu schicken. Es gab auch jeden Tag genug zu essen. Doch dann kam Ebola. "Jetzt haben die Leute weniger Geld und sie kaufen weniger von meinem Fufu", erklärt Yatta.

Unterstützung durch die SOS-Familienhilfe

Die 45-jährige Mutter und ihre Kinder werden weiter durch die SOS-Familienhilfe unterstützt: Yatta erhält Lebensmittel und Unterstützung beim Schulgeld. "Meine größte Sorge ist, dass meine Kinder nicht zur Schule gehen können. Ich hatte nie die Chance etwas zu lernen, meine Kinder sollen es einmal besser haben als ich."

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