Chris malt ein Bild: Es zeigt ihn, die beiden Geschwister, seine Mutter, den Vater - und ein Grab. Vor einigen Monaten starb Chris' Vater an Aids. Der Tod ist ständiger Begleiter in Simbabwe, wo die Aids-Epidemie grassiert. Viele Kinder verdrängen ihre Trauer und den Schmerz. Doch so können die seelischen Wunden nicht heilen. Das SOS-Sozialzentrum Bindura leistet Aids-Waisen auch psychologischen Beistand.
Es ist Samstagmorgen. Kinder und Jugendliche strömen in die Hermann-Gmeiner-Schule. Ausnahmsweise tragen sie keine Schuluniformen, sondern Freizeitkleidung. Denn an diesem Vormittag ist kein Unterricht. Die Kinder gehen in die Schule, weil sie dort seelischen Beistand erhalten. Denn sie alle haben einen Menschen verloren, der ihnen nahe stand: die Mutter, den Vater, Geschwister. In der Schule empfängt sie Kudzai Mazemwa vom SOS-Sozialzentrum Bindura.
Kudzai hält in der Schule jede Woche psychiatrische Sitzungen ab. Dabei wendet er verschiedene Therapieformen an: Kunst, Schauspiel oder Sport können helfen, sich der Trauer zu stellen. So schreiben die Kinder zum Beispiel einen Brief an einen Verstorbenen. Sie können darin Abschied nehmen. Oder sie erzählen, was geschehen ist, seitdem die Person verschieden ist. Auch das kann helfen, den schmerzlichen Verlust zu verarbeiten.
Auf eigene Gefühle Bezug nehmen
Vielen Kindern fällt es schwer zu begreifen, dass ein Familienmitglied gestorben ist. Sie haben keine Worte, wissen nicht, wie sie ihre Trauer ausdrücken sollen. Wenn das der Fall ist, betrachtet Kudzai mit ihnen Zeitschriftenfotos. Sie zeigen Menschen, in deren Gesichtern sich Gefühle spiegeln, die von Glück und Versonnenheit bis Trauer und Einsamkeit reichen. Da die Fotos für die Kinder nicht persönlich sind, haben sie keine Hemmungen über die Emotionen zu reden, die sie dort sehen - dabei nehmen sie unweigerlich auf ihre eigenen Erfahrungen und Gefühle Bezug. Schließlich zeichnen die Kinder ihre Familie. Dabei sollen sie auch den Verstorbenen malen. Er ist Teil der Familie. Aber ein Kreis, den das Kind um ihn zieht, zeigt an, dass dieser Mensch nicht mehr am Leben ist.
Die Bilder zeugen von erschütternden Schicksalen: So muss der kleine Chris nun einen zweiten Kreis einzeichnen. Einige Monate nach dem Tod des Vaters ist auch die Mutter an Aids gestorben. Chris und seine Brüder sind jetzt Waisen. Das SOS-Sozialzentrum Bindura bemüht sich darum, dass die Geschwister bei entfernten Verwandten unterkommen - falls dies nicht möglich ist, sollen sie im SOS-Kinderdorf Bindura ein neues Zuhause finden.
SOS-Familienhilfe in Bindura:
Eine Perspektive für 1500 Kinder
Das SOS-Sozialzentrum in Bindura unterstützt durch die SOS-Familienhilfe 1500 Kinder. Ihre Familien sind fast alle von AIDS betroffen: Die Eltern sind entweder krank oder ein oder beide Elternteile sind an der Immunschwäche gestorben. Die Familien erhalten Nahrungsmittel, Unterstützung beim Anbau von Obst und Gemüse oder Schulgeld. In den Sozialzentren und den SOS-Kinderdörfern in Simbabwe können Aids-Kranke außerdem Medikamente beziehen.