Musik ohne Grenzen

In Athen haben Flüchtlingskinder ihren eigenen Rap einstudiert.

"Ich behalte den Kopf oben, jeden Tag!" - Wer sich den Song der Kinder anhört, erfährt eine Menge über ihre Wünsche, Träume und über ihr Leben.

Zum ersten Mal in einem Musikstudio: Anfangs machte all die Technik die Kinder nervös, aber nach kurzer Zeit war das vergessen und sie sangen ihren Rap ein, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. 

Ich gebe zu: Ich war skeptisch! Als sich die Organisation "Musiker ohne Grenzen" bei uns im SOS-Haus für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Athen ankündigte, befürchtete ich, dass dies ein weiteres Angebot werden würde, das an dem Interesse der Kinder vorbeigeht. Die Jungen, die bei uns wohnen, bringen alle ihre Geschichte mit, sie haben viel Schlimmes erlebt. Nicht jeder gutgemeinte Vorschlag von außen ist ihnen wirklich eine Hilfe.

Aber meine Sorge war völlig unberechtigt, das merkte ich bereits im Vorfeld. Die Musiker wollten mit den Kindern rappen und als ich fragte, wer denn mitmachen würde, gingen zu meiner Überraschung mehr als die Hälfte aller Hände hoch.

Sie alle sind vor Krieg und Gewalt geflohen, ohne ihre Familie. Dass sie in Athen trotzdem nicht alleine sind, bedeutet ihnen viel.

Dann kamen die beiden Musiker, zwei Männer aus Holland mit breitem Lächeln und guter Laune. Sie setzten sich mit den Jungs und Vivi, einer unserer Mitarbeiterinnen, zusammen. Als ich nach drei Stunden in den Raum schaute, war ich erstaunt, wie konzentriert und geduldig die Kinder waren. Sie hörten zu, wie die Musiker von der Geschichte und Kultur des Rap erzählten, und beobachteten die Beiden genau.

Die Tage waren magisch: Überall hörte man die Kinder singen.

Eine große Freude für alle: Für die Kinder, aber auch für die SOS-Mitarbeiter und die "Musiker ohne Grenzen" war die Woche etwas ganz Besonderes.

Am nächsten Tag wurde es lebendiger. Mal formten die Kinder zusammen mit den Musikern einen Kreis und lernten erste Rhythmen, mal hörten sie sich gemeinsam Lieder an und sprachen darüber. Während einer Pause fragte ich Vivi, wie es den Kindern gehe. "Sie sind sehr aufgeregt, richtig glücklich", sagte sie.

Die nächsten Tage waren magisch. Immer wieder erlebte ich, wie eines der Kinder durchs Haus lief, einen Liedtext in der Hand und sang. Die Kinder drängten mich: "Du musst unbedingt mitkommen…" Also ging ich hoch und schaute zu, wie sie ihr eigenes Stück komponierten, ausprobierten, änderten, beratschlagten.

Bald darauf begannen sie ihren Song einzuüben, die Musiker gaben Tipps: "Achte auf den Rhythmus… hör auf den Sound… ganz in Ruhe…" Das war ernsthafte Arbeit für die Kinder und gleichzeitig ein großes Vergnügen. Noch an den Abenden übten sie weiter, unterstützten und ermutigten sich gegenseitig. Das Haus war belebt.

Dann kam der Samstag, an dem wir mit den Kindern ins Studio gingen. Sie waren sehr aufgeregt, manche ein bisschen besorgt – sowas hatten sie noch nie gemacht. Ob es klappen würde? Wir alle ermutigten sie. Sie hatten die Woche über so viel Energie in ihren Song gesteckt und schon so viel erreicht. Ich hoffte, dass sie den Studio-Aufenthalt vor allem genießen würden.

Das Resultat einer Woche: Die Kinder haben ihren eigenen Rap aufgenommen.

Die Kinder sangen von ihren Träumen und sprachen sich Mut zu.

Bisher hatte ich immer nur Wortfetzen mitbekommen, jetzt hörte ich zum ersten Man den ganzen Text – er haute mich um! Die Kinder sangen von sich, ihren Wünschen, ihren Träumen. Sie sprachen sich Mut zu – "Ich behalte den Kopf oben, jeden Tag!" – sie sangen von ihrem Leben bei uns im SOS-Haus – "Dies ist nicht nur ein Haus, unser Haus ist ein Zuhause!" –  und von den Fragen, die sie beschäftigen – "Was willst du tun, wer willst du sein?"

Nach zwölf Stunden verließen wir das Studio, alle erfüllt von diesem Tag, aber manche der Kinder auch traurig, weil die Musiker uns nun wieder verlassen würden. "Können sie nicht bleiben?", fragte ein acht-jähriger Junge mit Tränen in den Augen. Zum Abschied schenkten sie den beiden Männern ein großes gemaltes Bild.

Als ich spät in der Nacht nach Hause kam, hallte das Lied der Kinder immer noch in meinem Kopf nach. Ihre eindrucksvollen Worte: "Was willst du tun? Wer willst du sein?" Darum geht es doch im Leben, oder? Was will ich in die Welt bringen? Welche Werte sind mir wichtig?

Und ich fragte mich einmal mehr, wer denn hier eigentlich wem Kraft und Orientierung gab!

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