Südsudan: "Verschont unser Kinderdorf!"

SOS-Mutter Nyanyul berichtet von der Flucht aus Malakal

Lange war SOS-Mutter Nyanyul Look überzeugt, dass die Kämpfer im Südsudan niemals ein Zuhause für verlassene Kinder angreifen würden – bis sie plötzlich das Dorf stürmten!


Evakuierung aus Malakal: SOS-Familien am Flughafen - Fotos: Till Muellenmeister

Als die Kämpfe im Südsudan im Dezember begannen, da glaubte SOS-Mutter Nyanyul Look noch an die Menschlichkeit, auch unter den Kämpfern. „Ich war davon überzeugt, dass wir im SOS-Kinderdorf Malakal sicher wären und die Soldaten niemals ein Zuhause für elternlose Kinder angreifen würden.“ Man könnte diese Hoffnung als naiv bezeichnen, aber tatsächlich hat sich in der Praxis immer wieder gezeigt: Dadurch, dass die SOS-Kinderdörfer in den Ländern gut verankert und hoch angesehen sind, genießen sie oft hohen Schutz - auch in Krisenfällen.

Bis die Gewalt eskaliert, wie jetzt im Südsudan: Nachdem die Kämpfe zwischen den Truppen der Regierung und den Rebellen immer näher gekommen waren, hörte man die Gewehrsalven und Raketen plötzlich in unmittelbarer Nähe des Dorfes. Samuel Lueth, ein 12-jähriger Junge, erinnert sich: „Ich hatte furchtbare Angst! Keiner wusste, wer auf wen schießt. In unserem Haus traute sich keiner mehr, ein Wort zu sagen. Ich versteckte mich unter meinem Bett.“

Angreifer plündern das SOS-Kinderdorf


Warten auf Rettung: Kinder und Mütter am Rollfeld.
Dann drangen die Rebellen ins Kinderdorf ein. Nyanyul Look, die Sprecherin der SOS-Mütter im Dorf, stellte sich mit all ihrem Mut vor die Männer und erklärte mit fester Stimme: „Dies ist ein Ort für verlassene Kinder! Bitte verschont uns und zerstört unser Zuhause nicht!“ Einige der Kämpfer hörten ihr zu, andere scherten sich nicht um ihre Worte. Samuel erzählt: „Sie forderten die Mütter mit großer Brutalität auf, Geld und Handys herauszugeben. Ich war in Panik und fürchtete, dass sie meine Mutter erschießen.“
Schließlich zogen die Soldaten ab – und kamen kurz darauf ein zweites Mal wieder. Sie stürmten das Kinderdorf, nahmen alles mit, was sie kriegen konnten, plünderten das Büro des Dorfleiters, bedrohten die Mitarbeiter. Spätestens jetzt war klar, dass dies kein sicherer Ort mehr war!

Angst im Flüchtlingslager

Mütter, Kinder und Mitarbeiter räumten eilig das Nötige zusammen und machten sich auf den Weg zu dem einzigen Zufluchtsort in Malakal: dem Quartier der Vereinten Nationen. Begleitet von bewaffneten Verwandten von SOS-Mutter Nyanyul kamen sie heil an. Im UN-Quartier befanden sich bereits  Zehntausende weiterer Flüchtlinge, die hier vor den plündernden und mordenden Truppen Schutz gesucht hatten.
Ein Ort der Entspannung war aber auch das UN-Quartier für die SOS-Mütter nicht – ganz im Gegenteil. Nyanyul sagt: „Wir hatten zu wenig Wasser und zu wenige Toiletten. Ich hatte furchtbare Angst, dass eine Seuche ausbrechen würde. Außerdem war es kaum möglich, bei dieser Masse an verschreckten Menschen unsere Kinder im Auge zu behalten, und wir Mütter waren ständig in Sorge, dass uns eines abhanden kommen würde.“ Auch vor den Rebellen fühlte man sich nicht wirklich sicher: Wer wollte garantieren, dass sie nicht auch hier gewaltsam vordringen würden? Manche der Mütter machten nachts kein Auge zu.
Gleichwohl war ihr Vertrauen in die Verantwortlichen der SOS-Kinderdörfer ungebrochen. Nyanyul sagt: „Ich hatte zwar keine Ahnung wie, aber ich wusste, dass sie einen Weg finden würden, uns  herauszuholen.“

Rettung


Nach der Landung in Juba: Die SOS-Familien steigen aus der UN-Maschine - gerettet!

Schon seit Tagen war in Malakal kein Flugzeug mehr gelandet, dennoch bekam Nyanyul plötzlich aus dem SOS-Büro in der Hauptstadt Juba die Anweisung, dass sich Kinder und Mütter fertig für die Evakuierung machen sollten. Tatsächlich: Ein Flugzeug  der Vereinten Nationen war nach Malakal gekommen, um sie abzuholen und nach Juba zu bringen. 92 SOS-Kinder und ihre Mütter konnten zum ersten Mal seit langem wieder aufatmen.

Angekommen in der Hauptstadt bezogen die SOS-Familien Quartier in einem angemieteten Haus. Viele der Kinder waren dehydriert und hatten deutlich an Gewicht verloren, manche waren traumatisiert von den lebensbedrohlichen Erfahrungen der letzten Wochen. Ein Traumaexperte der SOS-Kinderdörfer wurde aus Nairobi eingeflogen, um ihnen zu helfen, Ärzte unterstützten ihren Genesungsprozess.
So wurde alles getan, um den Kindern wieder ein normales Leben zu ermöglichen. Inzwischen gehen die älteren sogar wieder in die Schule, die jüngeren in den Kindergarten.

Dass sich die gegnerischen Truppen bald einigen und den Konflikt beilegen werden, glaubt indes auch SOS-Mutter Nyanyul  nicht mehr. So wie sie hoffen die meisten Menschen im Südsudan nun darauf, dass die Internationale Gemeinschaft auf eine Lösung drängt.

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