Als Sechsjährige kommt Fatima gemeinsam mit ihren Geschwistern ins jordanische
SOS-Kinderdorf Irbid. Nach fünf Jahren gelingt die Reintegration der Kinder in ihre
Herkunftsfamilie, sie finden bei ihrem Onkel ein neues Zuhause. Für Fatima ist ihre
Zeit im SOS-Kinderdorf ein prägender Teil ihrer Familiengeschichte.
„Das Selbstvertrauen, das Mama Shahira mir mitgegeben hat, wird mich ein Leben lang tragen“, sagt die 19-jährige Fatima und drückt Shahira einen Kuss auf die Wange. Die Frauen sitzen im Hof des SOS-Kinderdorfs Irbid, im Norden Jordaniens. Sie plauschen und lachen, wie Freundinnen es tun. Fatima ging in die erste Klasse, als sie und ihre Brüder nach dem Tod des Vaters ins SOS-Kinderdorf kamen, sie blieben fünf Jahre. In dieser Zeit war SOS-Kinderdorf- Mutter Shahira Fatimas Fels in der Brandung. Jemand, der dem Mädchen Stabilität und Geborgenheit vermittelte, jemand, der ihr half, mit dem Verlust der Eltern zurechtzukommen. Fatima war elf Jahre alt, als die Geschwister bei ihrem Onkel Anwar und seiner Familie ein neues liebevolles Zuhause fanden.
Die Zeit im SOS-Kinderdorf kommt mit
„Ich habe mich damals schwergetan, Fatima aus meiner Obhut zu geben“, sagt Shahira, „aber mich tröstete, dass ich sie bei ihrem Onkel gut aufgehoben wusste und dass unser Kontakt nie abriss.“ Für Fatima ist es eine Selbstverständlichkeit, „Mama Shahira“ regelmäßig zu besuchen. Heute wird sie dabei von ihrem Onkel Anwar begleitet. Er sagt: „Ich bin Shahira unendlich dankbar für das, was sie für meine Nichte getan hat. Nicht zuletzt wegen ihr hat sich Fatima – allen Schicksalsschlägen zum Trotz – zu so einer selbstbewussten, fleißigen Frau entwickelt.“
„Mama Shahira“ ist der große Rückhalt für Fatima. Foto: Martin Hanebeck
Liebe und Vertrauen machen stark
Fatima studiert arabische Literatur und hat ambitionierte Berufspläne: Sie will in dem Fach promovieren und zudem noch ihren Master in Englisch und Französisch machen. Sie lässt sich dabei von der patriarchalen Kultur und dem regressiven Frauenbild in Jordanien nicht beeindrucken – nur 16 Prozent der Jordanierinnen sind erwerbstätig. Ihre Miene bekommt einen sehr entschlossenen Ausdruck, wenn sie von ihren Plänen erzählt. Shahira bestärkt sie darin und ihr Onkel Anwar sieht seine Nichte schon als Professorin. Er sagt: „Ich wünsche mir, dass Fatima ihre Träume verwirklicht.“ Die Chancen stehen gut – auch weil Fatima auf so viel familiären Rückhalt bauen kann.