03. April 2020 | NEWS

Kenia: "Der Hunger ist realer als Corona!"

Die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie verschärfen die Armut

Nach ersten Corona-Fällen Mitte März versucht Kenias Regierung die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Schulen, Geschäfte und Flughäfen sind geschlossen und das Land hat Ausgangssperren verhängt. Doch was Walter Odhiambo, Leiter der SOS-Kinderdörfer in Kenia, von der Situation vor Ort und aus den Slums Nairobis berichtet, ist alarmierend. Denn es sind die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise, unter denen die Menschen zunehmend leiden und die den ganzen Kontinent zu infizieren drohen.

Auch in Kenia gibt es immer mehr Corona-Infizierte. Wie schnell breitet sich das Virus aus?

Walter Odhiambo, Leiter der SOS-Kinderdörfer in Kenia

Bis vor kurzem konnten wir nicht testen und haben allein von den aktuell bekannten Fällen noch gut 2000 Verdachtsfälle vor uns. In der Zwischenzeit steigen die Infektionszahlen weiter. Könnten wir umfassend testen und isolieren und hätten wir genug medizinisches Personal, dann könnten wir vielleicht eingrenzen. Aber so ist es nicht.

Wie erleben Sie die Corona-Krise aktuell in Kenia?

Die nächtlichen Ausgangssperren und die Schließung der Geschäfte, Hotels, Restaurants usw. löst hier gerade eine Chaosspirale aus. Menschen, die zuvor schon von der Hand in den Mund gelebt haben, finden keine Arbeit mehr. Gleichzeitig steigen die Preise für Lebensmittel, weil die Bauern ihre Ware über Nacht geliefert haben und von einem Tag auf den anderen keine Güter mehr in die Stadt bringen konnten, wegen der Ausgangssperre. Jetzt gibt es eine Ausnahme für die Bauern. Allerdings haben wir jetzt schon die ersten Aufstände in den Slums, weil die Leute die Präventionsmaßnahmen, wie abendliche Ausgangssperren nicht einhalten. Sie machen die meisten Geschäfte am Abend. Gestern sagte mir jemand: "Corona kann ich nicht sehen. Aber den Hunger, den kann ich spüren. Und wenn ich mich zwischen Brot oder Seife entscheiden muss, nehme ich sicher das Brot!"

Bedeutet das, dass die Menschen vor allem unter den wirtschaftlichen Folgen leiden werden?

Es wird eine böse Kombination aus einem Kollaps des Gesundheitssystems und der Wirtschaft sein. Präventionsmaßnahmen greifen nicht bei Menschen, die hungrig sind. Wenn ich mir Wasser nicht leisten kann, wie soll ich dann Handhygiene betreiben? Wenn ich in der Enge der Slums zusammengepfercht bin, wie soll ich mich selbst isolieren und Abstand halten? Hier sind die Menschen in den Armenvierteln mit Recht wütend. Denn sie haben wenig Chancen sich zu schützen und ihre erste Sorge ist, wie gesagt, der Hunger. Er ist real. Sie werden und können sich nicht an Präventionsmaßnahmen halten, wenn wir ihnen nicht helfen, ihr tägliches Überleben zu sichern. Wenn sich der Ausgangssperren verschärfen, wird es keine zwei Wochen dauern, bis das Land im Chaos versinkt, weil die Menschen auf die Straße gehen und protestieren. Dann wird es auch für uns schwer, die SOS-Kinderdörfer zu schützen. Wir haben vorgesorgt und Vorräte angelegt. Aber was wird wohl passieren, wenn wir die einzigen in der Gegend sind, die sich noch versorgen können? Armut und Arbeitslosigkeit schnellen jetzt schon in die Höhe, aber wie wird es wohl in drei Monaten sein? Unsere Infektionskurven starten gerade erst.  

Eine Ärztin untersucht in der SOS-Klinik in Nairobi ein Kind.

Gibt es Lösungen?

Wir dürfen die Menschen jetzt keinesfalls im Stich lassen. Wir haben versprochen, ihnen beizustehen. Die SOS-Kinderdörfer verteilen jetzt Lebensmittel an Familien in den Slums und prüfen, ob Familien mit Nähmaschinen Gesichtsmasken nähen können und dafür bezahlt werden. Das würde gleich zwei Probleme lösen. Zusätzlich schauen wir, ob wir nicht in den Slums die Familien unterstützen können, Seife herzustellen. Auch als Einkommen und Schutz. Aktuell schauen wir zudem, ob wir unsere Schulen und Trainingscenter als zusätzliche Isolierstationen zur Verfügung stellen können. Wir bereiten auch unsere SOS-Klinik in Nairobi auf Corona-Fälle vor. Mit zusätzlichen Geldern können wir Familien nach der Krise mit Start-up Krediten helfen und ihnen durch Councelling wieder Mut machen. Niemand kann diese Krise allein bewältigen. Wir müssen jetzt alle zusammenarbeiten. Regierungen, Organisationen, Unternehmen und jeder einzelne von uns. Wir werden improvisieren müssen und brauchen kreative Ansätze. Aber wir müssen jetzt schnell handeln.

 

Corona-Krise in Afrika

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