Erst flohen die jungen Männer, jetzt immer öfter ganze Familien: Um der Not und Armut, die durch die Corona-Maßnahmen noch verstärkt wurden, zu entkommen, machen sich zahlreiche Menschen aus Tunesien auf den gefährlichen Weg über das Mittelmeer.
Von den insgesamt 26.000 Geflüchteten, die seit Beginn des Jahres auf dem Seeweg nach Italien gekommen sind, stammen 42 Prozent aus Tunesien – weitaus mehr als aus jedem anderen Land. Weitere 8.500 Menschen seien laut SOS-Informationen seit Januar von der tunesischen Polizei und Armee vor der Küste aufgehalten worden. Fethi Maaoui, Leiter der SOS-Kinderdörfer in Tunesien, sagt: "Die meisten sind in alten, maroden Booten unterwegs, die der Überfahrt oft nicht standhalten. Immer wieder kommt es zu humanitären Tragödien!" Erst vor drei Wochen sei ein Boot gekentert, über 20 Menschen seien gestorben, darunter mehrere Frauen, Kinder und ein Baby.
Junge Menschen in Tunesien perspektivenlos
"Die Menschen sind verzweifelt. Die Corona-Maßnahmen haben die tunesische Wirtschaft hart getroffen, viele Familien haben ihre Lebensgrundlage verloren", berichtet Maaoui. So sei unter anderem die Tourismus-Branche völlig eingebrochen, was besonders junge Menschen in die Krise stürzte. Es sei damit zu rechnen, dass die Arbeitslosigkeit bis Ende des Jahres die 20-Prozent-Marke übersteige. Maaoui weiter: "Um langfristig stabiler dazustehen, muss die Regierung ihrer Verantwortung nachkommen und vor allem in die strukturschwachen Regionen auf dem Land investieren und Arbeitsplätze schaffen. Nur so können wir eine Kehrtwende herbeiführen."
Die SOS-Kinderdörfer in Tunesien
Die SOS-Kinderdörfer helfen Kindern und Familien in Tunesien vielfältig. So begleitet die SOS-Familienstärkung Familien durch Ausbildungen oder mit Kleinkrediten auf dem Weg in die Eigenständigkeit und stärkt zudem ganze Gemeinden.