Die eine wuchs in einem Dorf im Libanon auf, die andere in einer deutschen Großstadt. Afifa Arsanios, Präsidentin der SOS-Kinderdörfer im Libanon und Yvonne Molek, Vorstand des Verbandes deutscher Unternehmerinnen, trafen sich beim Women Business Brunch der SOS-Kinderdörfer und der manager lounge in München. In diesem Gespräch erzählen beide, wie sie die aktuelle Situation der Frauen einschätzen – und wie man Frauen konkret fördert.
Wo sind Mädchen und Frauen heute noch benachteiligt?
Molek: Junge Frauen haben bessere Noten, sind mutiger und sehr zielorientiert. Doch spätestens bei der Familienplanung sind Frauen zu 95% die Verlierer. Die Elternzeit der Väter wird als Familienurlaub genommen. Die meisten Frauen bleiben bei den Kindern zu Hause und haben es dann schwerer, wieder verantwortungsvolle Jobs zu finden, in denen sie angemessen verdienen. Dadurch entsteht eine Abhängigkeit, die später zu Altersarmut führen kann.
Arsanios: Mir war nicht klar, dass in Deutschland Frauen überhaupt noch benachteiligt sind. Sie haben eine Bundeskanzlerin. Wir im Libanon sehen Deutschland als Vorbild. Die libanesischen Frauen haben derzeit zwei starke Herausforderungen zu meistern: Die religiösen Extremisten, die Frauen aus der Öffentlichkeit verdrängen wollen und die Karrierefrauen, die nicht weiter kommen. Viele gehen ins Ausland, wo sie bessere Chancen haben. Das ist ein Brain-Drain, der unserem Land nicht gut tut.
Frau Molek: Wie haben Sie Frauen in Ihrem Unternehmen gefördert?
Frauen sind zwischen Familie und Job hin und hergerissen. Sie gehen in Elternzeit, wollen aber danach natürlich weiterarbeiten. Als Geschäftsführerin habe ich mit meiner Personalpolitik immer auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Bedürfnisse reagiert. Frauen zu fördern bedeutete für mich, dass ich die Zeitmodelle unserer Firma anpasse: Also haben wir vor etwa 20 Jahren Home Office eingeführt. Da mussten wir viel Überzeugungsarbeit leisten. Manche Kunden haben sich beschwert, wenn sie im Hintergrund Kindergeschrei gehört haben, wenn sie mit einer Mitarbeiterin gesprochen haben. Aber wenn wir unser Modell erklärt haben, waren die meisten begeistert. Ich habe die Mütter immer ermutigt, nach der Elternzeit zurückzukommen, gefördert und befördert. Dafür sind wir vielfach ausgezeichnet worden, unter anderem von der Bayerischen Staatsregierung.
Was können Mütter tun, um ihre Töchter zu stärken?
Molek: Mütter müssen sich verstärkt ihrer Rolle als Vorbild bewusst werden. Junge Frauen haben heute sehr viele Möglichkeiten: Auslandsaufenthalte, sei es ein Praktikum, eine Studium oder Work&Travel, sind eine wichtige Orientierung. Sich allein und selbständig in einer neuen Umgebung etwas auszubauen, stärkt das Selbstvertrauen und öffnet den Blick für andere Kulturen. Aber ganz wichtig sind weibliche Vorbilder, das müssen nicht immer die Mütter sein, sondern auch Frauen wie Sie, Frau Arsanios. Ich habe gesehen, wie die Gesichter der jungen Frauen leuchten, wenn sie mit Ihnen sprechen. Es ist eine Ehre für sie.
Arsanios: Vielen Dank! Das freut mich sehr, denn ich denke, es ist am wichtigsten, dass man offen ist für den Menschen, egal woher er kommt, welche Hautfarbe und Religion er hat. Ich selbst bin Muslimin, mein Mann ist Christ, unsere Kinder sind nicht sehr religiös. Man muss den zwischenmenschlichen Unterschieden offen und freundlich begegnen – und ehrlich zu sich selbst sein.
Was sollen junge Frauen heute tun, um später im Beruf erfolgreich zu sein?
Molek: Sich definitiv nicht unter Preis verkaufen. Sich mehr zutrauen. Junge Frauen sollten sich ein Ziel setzen, auf Mentorinnen und Netzwerke zurückgreifen.
Arsanios: Für die libanesischen Frauen gibt es drei Dinge, die wichtig für ihre berufliche Ausbildung sind: Bildung, Bildung und Bildung. Und zwar nicht nur wegen des Wissens, das man sich aneignet. Eine gute Ausbildung gibt den Mädchen einen Schub, stärkt ihr Selbstvertrauen, zeigt ihnen, was alles möglich ist.
Was können Männer tun, um Mädchen und Frauen zu stärken?
Molek: Weibliche Familienmitglieder ermutigen, ihren eigenen Weg zu gehen – und die gleichen Konditionen einzufordern wie ihre männlichen Mitbewerber. Und ja nicht kuschen!
Arsanios: Genau das hat mein Vater getan. Er hat mich ermutigt! Ohne meinen Vater hätte ich nicht studieren können. Wir sind in einem großen Clan, im Libanon aufgewachsen, meine Eltern sind Bauern. Dass mein Vater mich nach Beirut geschickt hat, um dort auf eine gute Schule zu gehen, einen Abschluss zu machen, das gab es damals nicht in unserem Dorf. Dass ein Mädchen studiert. Das war natürlich auch ein großer Druck. Ich bin dann nach Washington gegangen, habe dort in der libanesischen Botschaft gearbeitet, danach für die UN. Später haben mich dann die Männer unseres Clans oft um Rat gefragt. Das gab mir Selbstvertrauen und hat mich gestärkt. Eine solche Unterstützung wünsche ich auch den Mädchen heute. Mein Beispiel hat gezeigt, dass man Mauern überwinden kann, auch wenn sie noch so hoch erscheinen.
Der Women Business Brunch der SOS-Kinderdörfer und des manager magazins in München konnte mit freundlicher Unterstützung von Rudi Kull / Kull & Weinzierl im Brenner realisiert werden. Herzlichen Dank!