20. Februar 2016 | NEWS

Ist soziale Gerechtigkeit eine Utopie?

Interview: Bildung ist Schlüssel zu sozialer Gerechtigkeit

Am 20. Februar wird der internationale "Tag der sozialen Gerechtigkeit" begangen, der 2009 von den Vereinten Nationen eingeführt wurde. Bleibt soziale Gerechtigkeit nicht ein frommer Wunsch angesichts der Tatsache, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgeht? Das hat nicht zuletzt wieder die jüngste Oxfam-Studie belegt, laut der einige wenige mehr besitzen als die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. SOS-Pressesprecher Louay Yassin spricht im Radiointerview über soziale Gerechtigkeit und wie man ihr etwas näher kommen könnte.

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Ein Junge in Äthiopien putzt einem wohlhabenden Mann die Schuhe. Foto: Michaela Morosini

Wie ist es um die soziale Gerechtigkeit in unserem ja eigentlich so reichen Deutschland bestellt?

Nicht besonders gut. Die oberen zehn Prozent der Haushalte in Deutschland besitzen über 50 Prozent des gesamten Nettovermögens. Im Jahr 1989 war das noch deutlich weniger. Die Reichen werden also immer reicher und die Armen ärmer. Etwa jedes fünfte Kind in Deutschland lebt in Armut.

Und weltweit gesehen? Wie ist da zum Beispiel die jüngste Oxfam-Studie einzuordnen?

Weltweit klafft die Schere noch stärker auseinander als in Deutschland: Laut Oxfam besitzen die 62 reichsten Menschen so viel wie die gesamte ärmere Hälfte der Menschen zusammen. 2010 brauchte es noch die 388 Reichsten um die arme Bevölkerungshälfte finanziell aufzuwiegen. Jetzt gibt es zwar Kritik an diesen Zahlen, man könne das nicht so genau ausrechnen. Sicher ist aber, dass der Reichtum immer ungerechter verteilt wird – weltweit und in Deutschland.

Warum geht die Schere zwischen Arm und Reich denn so rasant auseinander?

Das liegt vor allem daran, dass Kapital zu wenig besteuert wird und die Arbeit zu stark. Und auch daran, dass vor allem die ganz großen multinationalen Unternehmen überhaupt nicht gerecht besteuert werden. Google, Apple, Amazon, Starbucks und Co. haben ganz legal die Möglichkeit, ihre Gewinne so lang zwischen den Staaten hin und her zu schieben, bis sie fast keine oder gar keine Steuern mehr auf ihre Milliardengewinne zahlen. Dadurch gehen den Staaten rund 200 Milliarden Dollar jährlich verloren.

Soziale Gerechtigkeit – ist das am Ende nicht eine Utopie? Oder was sind aus Ihrer Sicht realistische Wege, die uns dieser Utopie wenigstens etwas näher bringen?

Ob es jemals die totale soziale Gerechtigkeit gibt, weiß ich auch nicht. Aber ich nenne nur ein Beispiel von vielen, was Armut effektiv verhindern könnte: Schulbildung. 50 Millionen Kinder weltweit gehen nicht in die Schule. Daher werden sie auf jeden Fall später in Armut enden. Die SOS-Kinderdörfer bauen Schulen, wo es keine gibt und ermöglichen so armen Kindern eine gute Ausbildung. Das wirkt sich langfristig sehr positiv aus. Auch in Deutschland müssten bildungsferne Schichten viel intensiver an Schule und Ausbildung herangeführt werden.

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