Der 10-jährige Azzam hat im syrischen Bürgerkrieg Gewalt und schlimme Verluste erlebt. Die SOS-Psychologen unterstützen ihn und viele andere Kinder dabei, einen Weg zurück ins Leben zu finden.
"Ich denke jeden Abend vor dem Einschlafen an meinen toten Bruder. Es tut weh, mich an all das zu erinnern. Ich will nicht, dass sich das jemals wiederholt."
Ein Blick auf eines seiner Bilder, das er in der Traumatherapie gemalt hat, macht deutlich, dass er Furchtbares erlebt hat. "Ich habe das gezeichnet, um meine Erinnerungen aus dem Kopf zu kriegen", sagt der 10-jährige Azzam.
85 Prozent der Kinder in Syrien haben ein Trauma erlitten
Geschätzte 85 Prozent aller syrischen Kinder haben in dem nunmehr neun Jahre dauernden Krieg schwere Traumata erlitten. Sie haben so schlimme Gewalt, Angst und Verluste erfahren, dass ihr weiteres Leben massiv beeinträchtigt ist. Teresa Ngigi, Psychologin der SOS-Kinderdörfer, sagt: "Für diese Kinder ist es ganz wichtig, dass sie Unterstützung bekommen. Ohne psychologische Hilfe leiden sie ein Leben lang an Lernschwächen, Panikattacken und sind sozial auffällig."
Die SOS-Trauma-Experten unterstützen zahlreiche Jungen und Mädchen dabei, ihr Trauma zu überwinden. Gleichzeitig bilden sie weitere Therapeuten aus, denn davon gibt es in Syrien viel zu wenige.
Azzam hat nicht nur seinen Bruder sondern auch seine Mutter im Krieg verloren. Und sein Zuhause in Aleppo: Alles zerstört. Sein Vater lebt noch, aber er hat wieder geheiratet und ist nicht bereit, seine Kinder zu sich zu nehmen. Es war die Stiefmutter, die Azzam und seine drei Geschwister ins SOS-Übergangszentrum in Aleppo brachte. Dort blieben sie, bis das SOS-Kinderdorf Saboura 2018 in der Nähe von Damaskus eröffnete und ihre neue Heimat wurde. Im Kinderdorf werden sie liebevoll unterstützt von ihrer SOS-Mutter, gehen wieder zur Schule und erhalten Hilfe durch die SOS-Therapeuten.
"Es fühlt sich gut an, Menschen nach Hause zurückzubringen!"
Das Zeichnen ist in der Therapie ein wichtiger Schlüssel. Teresa Ngigi sagt: "Wenn ein Kind keine Worte findet, um über ein schlimmes Erlebnis zu sprechen, kann es hilfreich sein, sich anders auszudrücken, durch Malen, Spielen, Singen... Das nimmt den Druck und schafft Distanz zu dem, was passiert ist." So gelingt es den Kindern nach und nach, das Erlebte zu verarbeiten und wieder Vertrauen zu fassen.
Wenn Azzam über seine Bilder spricht, kann er plötzlich formulieren, was vorher nicht möglich war. Begleitet von der Therapeutin im geschützten Raum, kann er die Gefühle zulassen. Er ist traurig. "Es tut weh!" Ein wichtiger Schritt.
Azzam hat noch ein weiteres Bild gemalt. Es zeigt seinen Traum von der Zukunft: Da sind die Häuser seiner Heimatstadt Aleppo, noch teilweise zerstört. In der Mitte sind Arbeiter, die die Stadt wiederaufbauen – zusammen mit Azzam, der inzwischen Ingenieur geworden ist. "Diese Zeichnung macht mich glücklich, weil es sich gut anfühlt, Menschen nach Hause zurückzubringen", sagt Azzam.