26. Februar 2015 | NEWS

Gaza: Kein sauberes Wasser, kein Strom

Interview mit Samy Ajjour vom SOS-Kinderdorf im Gazastreifen

"Schlimmer als direkt nach dem Krieg": Samy Ajjour, der Leiter des SOS-Kinderdorfs im Süden von Gaza, hat im Gespräch mit der Neuen Ruhr Zeitung die schreckliche Situation in seiner Heimat geschildert. Das Interview führte Matthias Maruhn.


Samy Ajjour, Leiter des SOS-Kinderdorfs im Gazastreifen, schildert die furchtbaren Zustände in seiner Heimat. Foto: Katharina Ebel
Im Sommer 2014 eskalierte die Lage im Gaza-Streifen erneut. Nach dem gewaltsamen Tod dreier jüdischer Jugendlicher und dem mutmaßlichen Rachemord an einem palästinensischen Jungen flammte der Konflikt auf: Die Hamas feuerte 1000 Mörsergranaten auf Israel, das mit massiven Luftangriffen und später mit Bodentruppen reagierte. 1400  Palästinenser wurden nach Hamas-Angaben getötet, ungezählte Häuser zerstört. Nach einer Waffenruhe wurde auf der internationalen Geberkonferenz in Kairo Gaza eine Hilfszusage über 5,4 Millionen Dollar gemacht. Samy Ajjour, der Leiter des SOS-Kinderdorfs Rafah im Süden von Gaza, spricht über die Situation vor Ort.

Was ist von dem Geld angekommen, das die internationale Geberkonferenz versprochen hat?
SAMY AJJOUR: Soweit ich weiß, sind keine größeren Summen  des versprochenen Geldes in Gaza eingetroffen. Es gab Nothilfe für betroffene Familien, Nahrung, Decken etc. Aber keine großangelegte Hilfe. Es fehlt praktisch an allem. Daher ist die Situation im Gazastreifen schlimmer als direkt nach dem Krieg. Die Menschen leben noch immer in Übergangsunterkünften unter schrecklichen Bedingungen. Sie haben nicht genug zu essen, selten Zugang zu sauberem Wasser oder Strom. Baumaterial für den Wiederaufbau gibt es nicht. Israel lässt praktisch kein Baumaterial in den Gazastreifen.

Wie geht es den Kindern? Wie geht es generell den Bewohnern von Gaza?
Den Kindern im Gazastreifen geht es sehr schlecht. Sie sind traumatisiert durch den Krieg. Durch die sich ständig verschlimmernde Lage und das Leben in Zeltstätten oder Übergangsunterkünften sind sie Gefahren ausgesetzt wie Misshandlung oder Missbrauch. Zudem sind sie schlecht ernährt.

Woran mangelt es?
An allem. Gas zum Kochen, Elektrizität, sauberem Wasser, Nahrung, Medikamenten, Kleidung. Über 70 Prozent der betroffenen Kinder haben nur mehr eine Ausstattung mit Kleidung, also eine Hose, ein T-Shirt, evtl. einen Pullover. Sonst nichts. Derzeit wird es im Gazastreifen nachts sehr kalt, es fällt sogar Schnee.

Funktioniert die medizinische Versorgung der Bevölkerung im Gazastreifen?
Nein. Selbst Krankenhäuser wurden im Krieg beschädigt und können nicht renoviert werden. Zudem fehlt es den Krankenhäusern ebenso wie den Menschen an sauberem Wasser, Strom gibt es nur wenige Stunden am Tag.

In welchem psychischen Zustand sind die Bewohner von Gaza nach dem Krieg?

Traumatisierte Menschen in Gaza: Eine Mitarbeiterin der SOS-Familienhilfe spricht mit einer Familie. Foto: B. O. Holmberg

Die SOS-Kinderdörfer werden eine Übergangseinrichtung für 1000 Kinder schaffen, in der schwer traumatisierte Kinder über einen Zeitraum von ein paar Tagen bis zu einigen Monaten leben können, aufgepäppelt und vor allem psychologisch betreut werden.

Was sind Ihre Hoffnungen für die nächsten Monate?
Wir hoffen endlich auf Baumaterial, dass die Menschen ihre Häuser wieder aufbauen können. Und natürlich auf Unterstützung mit Nahrung. Wir hoffen darauf, dass wir wieder genug Strom erzeugen können und Kläranlagen bauen. Die Kläranlagen wurden im Krieg fast alle zerstört. Nun laufen die Abwässer ungeklärt ins Meer. Gleichzeitig sind wir darauf angewiesen, aus Meerwasser Trinkwasser zu gewinnen.

Und die nächsten Jahre...?
Langfristig hoffen wir immer auf Frieden, haben jedoch wenig Grund, ernsthaft daran zu glauben.

Wie soll sich der Westen verhalten?
Wir wünschen uns, dass die westliche Welt uns hilft wie zugesagt. Wir möchten endlich mit dem Wiederaufbau beginnen.

 

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