Eines der ärmsten Länder der Welt
Im Jahr 1960 wurde das Land unter der Führung von Francois Tombalbaye von Frankreich unabhängig. Die Zeit nach der Unabhängigkeit war von vielen Turbulenzen geprägt; die Gewalt aufgrund von religiösen Konflikten zwischen Christen und Muslimen, Naturkatastrophen und bewaffnete Aufstände haben dieses Land, das auch "Das tote Herz von Afrika" genannt wird, schwer in Mitleidenschaft gezogen.
Der Tschad war immer wieder Schauplatz von internen und multinationalen Konflikten und litt unter einem drei Jahrzehnte andauernden Krieg sowie unter zahlreichen Invasionen aus dem benachbarten Libyen, bis im Jahr 1990 der Frieden wiederhergestellt werden konnte und die ersten nationalen Wahlen stattfanden.
Im Jahr 1998 begann ein bewaffneter Aufstand im Norden des Landes. Als Folge der Krise in Darfur flohen Hunderttausende von Sudanesen in den Tschad. Lange Zeit beschuldigten sich die beiden Länder gegenseitig, den Rebellen Unterschlupf zu gewähren und sie mit Waffen zu versorgen.
Zu Beginn des Jahres 2008 wurde die Hauptstadt des Tschad, N'Djamena, von Rebellen angegriffen, wobei viele Zivilisten getötet wurden. Die Zahl der Binnenflüchtlinge (IDPs) hat sich seit 2006 fast verdoppelt - derzeit gibt es 140 000 intern Vertriebene und ca. 200 000 sudanesische Flüchtlinge im Tschad. Aufgrund der anhaltenden Kämpfe der Rebellen und der Krise in Darfur hat sich die humanitäre Lage im Land in den letzten Jahren deutlich verschlechtert.
Obwohl das Land über beachtliche Gold-, Uran- und Ölreserven verfügt, konnten die Bewohner das Tschad bislang nicht von den natürlichen Reichtümern ihres Landes profitieren. Der Tschad gehört zu den ärmsten Ländern der Welt und belegt auf dem Human Development Index einen der untersten Plätze. Die Einwohnerzahl beläuft sich auf 10,7 Millionen, von denen über die Hälfte Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sind.
Hohes Maß an Armut, Analphabetentum und eine Flüchtlingskrise vor der Haustür
Die Mehrheit der Bevölkerung im Tschad lebt unter unglaublich prekären Bedingungen. Chronische Nahrungsmittelknappheit und schwere Mangelernährung sind weit verbreitet, vor allem in den dicht besiedelten zentralen und südlichen Regionen des Landes. Den meisten Menschen fehlt es an allen grundlegenden Dingen wie Trinkwasser, sanitären Einrichtungen, medizinischer Versorgung und menschenwürdigen Behausungen.
Auf 38 000 Einwohner kommt lediglich ein Arzt. Wasser ist in den trockenen und ariden Provinzen im Osten des Landes ein extrem wertvolles Gut. In ländlichen Gebieten haben nur vier Prozent der Bevölkerung Zugang zu sauberem Trinkwasser aus sicheren Quellen. Sehr häufig ist das Wasser verseucht, und die Menschen erkranken an Durchfall, Cholera oder anderen wasserinduzierten Krankheiten, nachdem sie verunreinigtes Wasser getrunken haben.
Zu den schweren Infektionskrankheiten, unter denen die Bevölkerung leidet, zählen Hepatitis A, Typhus und Malaria. Es kommt sehr häufig vor, dass Menschen an Krankheiten sterben, die in der westlichen Welt leicht behandelt werden könnten. HIV/AIDS ist ebenfalls ein großes Problem der öffentlichen Gesundheit. Die allgemeine Prävalenzrate bei den Erwachsenen ist mit 3,4 Prozent sehr hoch. 63 Prozent der Menschen im Tschad fristen ein Leben in Armut. Der schwierige Zugang zu Bildungseinrichtungen erklärt, warum das Land eine der niedrigsten Alphabetisierungsquoten in Afrika aufweist - lediglich 32 Prozent der Bevölkerung können lesen und schreiben.
Auch die große Armut trägt entscheidend zu der niedrigen Lebenserwartung von nur 48 Jahren bei der Geburt bei. Der Tschad wird immer wieder von Naturkatastrophen heimgesucht. In ländlichen Regionen ist das Ausmaß der Armut meist noch größer. Die Menschen hängen in hohem Maße von der landwirtschaftlichen Produktion ab, und Dürren können verheerende sozioökonomische Auswirkungen haben. Wirtschaftlich betrachtet leben ca. 80 Prozent der Bevölkerung von der Subsistenzwirtschaft und der Viehzucht.
Aufgrund der hohen Sterblichkeitsrate und der Abwanderung der Männer werden 23 Prozente aller Haushalte in ländlichen Gebieten von weiblichen Familienvorständen geführt. Diese Haushalte sind besonders häufig von Verarmung bedroht.
Kinder sind durch Ausbeutung gefährdet
Obwohl die Kämpfe und Spannungen in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen sind, werden immer noch viele Kinder und Jugendliche durch bewaffnete Gruppen und Milizen rekrutiert.
Die Kinder von Binnenflüchtlingsfamilien sind besonders gefährdet. Während der schweren Zusammenstöße zwischen den Regierungstruppen und den Rebellen im Mai 2009 wurden viele Greueltaten an Kindern berichtet. Dazu zählen Vergewaltigung, Misshandlung und sogar Mord. Kindersoldaten wurden während der Konfrontationen auf beiden Seiten eingesetzt. Kinder sind auch sexuellem Missbrauch und geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt. Zusätzlich sind sie durch Minen und andere Sprengkörper, die noch aus dem Bürgerkrieg stammen, gefährdet.
Aufgrund der anhaltenden extremen Armut wurden mehrere Fälle von Kindesentführungen berichtet. Der Kinderhandel, Kinderzwangsarbeit und kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern sind ebenfalls weit verbreitet. Zehntausende von Kindern gehen nicht zur Schule, da sie arbeiten müssen, um Geld für das Überleben ihrer Familien aufzutreiben.
Immer mehr kleine Kinder müssen ganze Haushalte führen; das betrifft vor allem Waisenkinder und Kinder in ländlichen Regionen. 670 000 Kinder wachsen im Tschad ohne elterliche Fürsorge auf. Darunter sind 120 000 Kinder, die ihre Eltern an AIDS verloren haben; das Virus stellt eins der größten Probleme der öffentlichen Gesundheit dar. Die Säuglingssterblichkeitsrate liegt bei 124 pro 1000 Lebendgeburten. Die meisten Geburten finden ohne Betreuung durch medizinisches Fachpersonal statt.
SOS-Kinderdorf im Tschad
Die Tätigkeit von SOS-Kinderdorf im Tschad begann nach langen Verhandlungen mit der Regierung des Landes im Jahr 2002. Derzeit unterstützt SOS-Kinderdorf hilfsbedürftige Kinder und Jugendliche durch Kindertagesstätten, Schulen und medizinische Versorgung. Kinder, die ihre Eltern verloren haben oder nicht länger bei ihren Familien bleiben können, finden liebevolle Aufnahme in einer familiennahen Umgebung, der SOS-Kinderdorf-Familie.
Im Jahr 2006 wurde das Gebiet, in dem das SOS-Kinderdorf in N'Djamena angesiedelt ist, von heftigen Kämpfen zwischen Regierungstruppen und bewaffneten Rebellen erschüttert. Es mussten Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden, um für die Sicherheit aller Kinder zu sorgen. SOS-Kinderdorf betreibt ein Nothilfeprogramm, um den Flüchtlingen aus der Darfur-Region im benachbarten Sudan zu helfen. Sie erhalten psychologischen Beistand sowie schulische und medizinische Unterstützung, um Kindern und ihren Familien zu helfen, das Trauma des Krieges zu überwinden.