Ein Sektchen zur Begrüßung - das war Standard, wenn man Ilse Schledorn-Franz besuchte. Und Besuch bekam sie viel in ihrem Morbacher Zuhause. Es war ein offenes Haus. Die, die sie gekannt haben, erinnern sich gerne an die anregenden Gespräche und geselligen Runden. Illi, wie sie vielen nannten, war eine humorvolle und gebildete Frau, die etwas zu sagen hatte. Ihre Freunde schätzten ihre Ehrlichkeit und Direktheit.
Nach Morbach im Hunsrück kam Ilse Schledorn-Franz in den 1970er Jahren gemeinsam mit ihrem Ehemann Heinrich und ihrer Schwester Klara. Die Ruhe des Ortes stand im Kontrast zu Illis bisherigem Leben. Am 5. September 1923 im oberschlesischen Loebschütz geboren, verschlug es sie und ihre Familie in den Nachkriegsjahren nach Berlin. Dort studierte sie mit Mitte 20 an der Akademie der Bildenden Künste beim Expressionisten Karl Schmidt- Rotluff, der Mitglied der Künstler gruppe Brücke war. Später, Anfang der 1960er Jahre, hingen bei einer Berliner Ausstellung ihre Zeichnungen und Gemälde neben den Werken von Joan Miró und Georges Braque. Sie war in der damaligen Kulturszene zuhause.
Mit 42 Jahren zog sie sich vom öffentlichen Kunsttrubel zurück, ging nach Holland und danach gemeinsam mit ihrem Mann und ihrer Schwester ins ruhige Morbach. Der Kunst ist sie trotz des Rückzugs immer treu geblieben. Der Prozess des Gestaltens begeisterte sie mehr, als das Präsentieren ihrer Bilder. Beim kreativen Arbeiten scheute sie sich nie davor, Neues zu probieren. In ihrer Garage begann sie mit Freskomalerei, Mosaike zierten das Haus und im Garten standen ihre Skulpturen.
Illis Mann starb früh, im Jahr 1987. Klara und Illi blieben im Morbacher Häuschen. Die beiden lebten eine innige Geschwisterbeziehung – trotz, oder vielleicht gerade wegen, ihrer gegensätzlichen Wesenszüge. Klara war die ausgleichende Bodenständige, Illi der kreative Freigeist.
Ilse Schledorn-Franz hatte keine Kinder. In Gesprächen mit Freunden bedauerte sie dies manchmal. In ihrem Testament bedachte sie die SOS-Kinderdörfer sehr großzügig. Ilse Schledorn-Franz starb am 7. Oktober 2012, knapp zwei Jahre nach ihrer Schwester Klara.
Richard Knoll