"Ich nehme jedes Kind in mein Herz auf"

SOS-Kinderdorf-Mutter Subhashini Aadinarayanamurthi aus Indien erzählt

Subhashini Aadinarayanamurthi (42) ist SOS-Kinderdorf-Mutter in Indien. Seit 1997 lebt und arbeitet sie im SOS-Kinderdorf Visakhapatnam. Für die Mädchen und Jungen ihrer SOS-Familie ist sie Tag und Nacht da. Subhashini Aadinarayanamurthi ist eine von 5500 SOS-Kinderdorfmüttern weltweit. Im Interview erzählt sie, warum sie sich für ihren Beruf entschieden hat, der ihr zur Lebensaufgabe geworden ist.

 


'Die Mütter sind die Seele der SOS-Kinderdörfer': Subhashini Aadinarayanamurthi - Fotos: Fred Einkemmer

Wie würden Sie Ihre Arbeit beschreiben?

Ich würde sagen, dass die SOS-Kinderdorf-Mutter die Seele der SOS-Kinderdörfer ist. Sie betreut zwischen neun und zwölf Kinder, lebt mit ihnen in einem eigenen Haus. Sie entscheidet, was sie in ihrem Garten anpflanzt. Sie kocht für die Kinder, kauft Kleider, richtet sie für die Schule her – genauso wie andere Mütter auch. Wir SOS-Mütter sollten jedes Kind wie ein eigenes Kind in unsere Herzen aufnehmen und sie in ein stabiles Leben führen. In unserem Dorf lieben wir unsere Kinder sehr, alle Kinder. Wir sollten sie immer motivieren, denn falls ein Kind eine Sache nicht gut macht, ist es vielleicht in einer anderen besser; wir sollten sie unterstützen, das zu tun, in dem sie gut sind.

Nach der Trennung von Ihrem Mann und dem Tod ihrer Tochter sind Sie Ihren eigenen Weg gegangen. Sie haben zunächst unterrichtet. Warum haben Sie sich dann entschieden, SOS-Kinderdorf-Mutter zu werden?


Nach der Trennung von Ihrem Mann und dem Tod ihrer Tochter ging Subhashini Aadinarayanamur ihren eigenen Weg.

Ich sah die Anzeige in der Zeitung und beschloss mich zu bewerben. Die Anzeige gab eine klare Beschreibung der Aufgaben einer SOS-Kinderdorf-Mutter und ich dachte: Gibt es wirklich Organisationen, die sich auf diese Art um Kinder kümmern? Es stand auch in der Anzeige, dass mich die Kinder "Mutter" nennen würden, was etwas ganz Besonderes war. Nach dem Tod meiner Tochter war ich sicher, dass mich niemand je wieder "Mutter" nennen würde. Ich wusste, dass ich mit diesen Kindern viel Liebe teilen könnte und sie mir Liebe zurückgeben würden. Das waren die Gefühle, die ich hatte, als ich mich bewarb.

An welche Erfahrung Ihrer ersten Monate im SOS-Kinderdorf denken Sie besonders gern zurück?

Meine jüngste Tochter Sindhuja war ein Baby, als sie zu mir kam. Sie war in Tücher gewickelt und sehr klein. Zu Beginn gab es im Dorf nur zwei Säuglinge. Der Dorfleiter freute sich mehr über sie als die Kinderdorfmütter: Er rannte durchs Dorf und verkündete, dass wir nun zwei Säuglinge hätten! Alle SOS-Kinderdorf-Mütter und Kinder standen am Eingangstor. Diese Erfahrung, diese große Freude, werde ich nie vergessen. Ich bekam das Kind und nahm es mit mir nach Hause. Nach einer Woche sah sie besser aus, weil ich ihr jeden Tag eine stärkende Massage gab. Sie kam zu früh zur Welt, weshalb sie in allem etwas länger brauchte, aber jetzt geht es ihr gut.

Können Sie das Schicksal eines ihrer Kinder erzählen?

Preethis Mutter brachte sich selbst um, indem sie sich verbrannte. Ihr Vater heiratete ein zweites Mal, und diese zweite Frau ließ sie arbeiten und erlaubte ihr weder zu lernen noch zu ihrem Vater zu gehen. Sie war ein so trauriges Kind. Ich wollte sie nicht noch mehr verletzen, also stellte ich ihr keine Fragen. Ich sagte nur zu ihr, dass ich für sie da bin, was immer sie braucht.

Wie hat Ihre Ausbildung Sie auf die Arbeit als SOS-Kinderdorf-Mutter vorbereitet?

Wir hatten dreimal wöchentlich das Fach "Entwicklung des Kindes", das mir besonders gut gefiel. Sunita erklärte uns, wie man schwerfällige und hyperaktive Kinder behandelt. Ich habe ein Mädchen, das viel studiert, aber wenig behalten kann. Doch sie interessiert sich für Musik und Handarbeiten. In der Ausbildung lernte ich, dass man das schwerfälligere Kind nicht ständig tadeln, sondern stattdessen herausfinden solle, welch andere Qualitäten es hat. Und das versuche ich bei diesem Mädchen. Die gescheiten Kinder tun sich in vielen Dingen leicht und kommen zurecht, aber diese Kinder brauchen wesentlich mehr Unterstützung.

Was wünschen Sie sich für Ihre Mädchen und Jungen?

Ich glaube, sie müssen alle versuchen, hart zu arbeiten, um mehr zu erreichen. Ich wünsche mir für sie, dass es ihnen gut geht und sie mit beiden Beinen im Leben stehen werden. Ich möchte nicht, dass sie Hilfsarbeiter werden oder etwas, das nicht das Richtige für sie ist. Wir unterstützen sie so sehr und bieten ihnen unsere Hilfe an. Manchmal wünsche ich mir, sie würden sich ein bisschen mehr anstrengen. Für meine Söhne und für meine Töchter wünsche ich mir, dass sie stabil im Leben stehen, bevor sie heiraten. Wenn sie einen Menschen finden, mit dem sie zusammen sein wollen, bin ich weder gegen eine Liebes- noch gegen eine Kastenheirat. Sie werden mich zur Großmutter machen, und eines Tages werden wir eine große Familie sein und unser Haus wird voll sein mit all diesen Leuten und ihren Kindern. Und ich werde glücklich alt werden.


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