Als Fatima El-Suleima von Idomeni erzählt, füllen sich die Augen der Syrerin mit Tränen. "Wir schliefen im Freien, während es vier Tage lang regnete, meine beiden Kinder bekamen Fieber und Durchfall." Die Mutter war mit ihrer Tochter Karine (2) und ihrem Sohn Karouan (3) dem Krieg in ihrer Heimat entkommen, aber dann saßen sie im Elendscamp an der griechisch-mazedonischen Grenze fest. Fatima El-Suleima wollte weiter nach Deutschland, zu ihrem Mann, der vor ihnen die Flucht gewagt hatte und nun in Stuttgart auf sie wartet. Doch am Grenzzaun von Idomeni zerplatzte ihre Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen.
Im nordgriechischen Grenzort Idomeni waren zeitweise bis zu 12.000 Flüchtlinge gestrandet. Sie wollten weiter nach Norden, nach Deutschland oder Skandinavien. Doch seit Februar ist die Grenze nach Mazedonien faktisch dicht. Die Flüchtlinge hausten auf freiem Feld in Iglu-Zelten und unter Planen. Sie harrten aus im Dreck, im Regen und in der Kälte der Nacht - in der verzweifelten Hoffnung, doch noch über die Grenze zu gelangen. Immer wieder kam es seit der Grenzschließung zu Ausschreitungen und Protesten. Nur wenige Flüchtlinge gaben auf und ließen sich von Idomeni in offizielle Unterkünfte bringen. Inzwischen haben die griechischen Behörden das inoffizielle Zeltcamp vollständig geräumt.
"Wie geht es mit uns weiter?"
Fatima El-Suleima und ihre beiden Kinder haben Idomeni verlassen und befinden sich nun im staatlichen Flüchtlingscamp Eleonas in Athen. Die Familie ist dort in einem Wohncontainer untergebracht: in einem abgetrennten Abteil mit zwei Stockbetten. Die Mutter und ihre beiden kleinen Kinder schlafen dort alleine, können eine Türe hinter sich schließen. Karine und Karouan sind wieder gesund. Vor dem Container spielen SOS-Helfer mit den Mädchen und Jungen Ball, die SOS-Kinderdörfer haben im Camp eine Nothilfe-Kita eingerichtet. "Hier ist es viel besser als in Idomeni", sagt die Syrerin. "Aber wir warten und wissen nicht, wie es weitergeht."
Angriff der IS-Dschihadisten
Vor eineinhalb Jahren nahm sie von ihrem Mann Abschied, als er ihre Heimatstadt Hasaka im Nordosten Syriens verließ, um die Familie später nachzuholen. Längst hatte damals der syrische Bürgerkrieg auch die kurdisch dominierte Region erfasst. "Als mein Mann weg war, wurde alles noch viel schlimmer", berichtet Fatima El-Suleima. Im Sommer 2015 griff die Terrormiliz "Islamischer Staat" Hasaka an. Die IS-Dschihadisten wurden zurückgeschlagen, doch die Not spitzte sich immer weiter zu. "Viele Häuser und das Krankenhaus sind zerstört, wir hatten nicht genug zu essen und meine Kinder konnten vor Angst nicht mehr schlafen." Die Syrerin erzählt sachlich und gefasst, doch dann ringt sie mit den Tränen: "Mein Vater und mein Bruder wurden getötet."
Flucht mit zwei kleinen Kindern
Im Februar 2016 floh Fatima El-Suleima mit ihren beiden Kindern aus Hasaka, um ihrem Mann nach Stuttgart zu folgen. Sie schloss sich einer Gruppe von Flüchtlingen an, mit der sie über die syrisch-türkische Grenze gelangte. "Wir sind tagelang gelaufen, die Erwachsenen wechselten sich beim Tragen der Kinder ab, es war kalt und die Kleinen weinten ständig." In der Türkei wurden einige Mitglieder der Gruppe von Verbrechern ermordet, als sie überfallen wurden. Auf einem Lastwagen ging es zur Küste, wo sie mit einem Schlepperboot über die Ägäis flohen. Sie landeten auf einer griechischen Insel, deren Namen Fatima El-Suleima nicht erfahren hat.
Nach der Registrierung durch die griechischen Behörden durften sie weiter zum Festland nach Piräus, wo Tausende Flüchtlinge in den Hafenanlagen in Zelten und Lagerhallen campierten. Die Mutter blieb dort mit ihren zwei Kindern für sechs Tage, bevor sie zur griechisch-mazedonischen Grenze aufbrachen. Dann folgte der Alptraum von Idomeni, schließlich die Rückkehr nach Athen.
"Ich fühle mich jeden Tag schwächer"
Fatima El-Suleima telefoniert regelmäßig mit ihrem Mann in Stuttgart. Der bemüht sich darum, dass ihr Antrag auf Familienzusammenführung genehmigt wird. Das Warten und die Ungewissheit haben die Syrerin zermürbt. In Eleonas wird sie von einer Psychologin der SOS-Kinderdörfer betreut. "Ich fühle mich jeden Tag schwächer." Sie wendet sich ab und wischt sich über die Augen. "Wir warten."