Meena und Reena* liebten ihre Eltern und ganz besonders hingen sie an ihrer Mutter Geetha. Die beiden Mädchen wichen kaum von ihrer Seite und schliefen mit ihr immer noch im gleichen Zimmer, obwohl sie bereits die Grundschule besuchten. Die Familie wohnte in einem kleinen Haus in dem südindischen Dorf Kodanadu und lebte in bescheidenem Wohlstand. Ein scheinbares Familienglück, das sich einzutrüben begann, als sich bei Vater Prakash zunehmend Anzeichen von geistiger Verwirrung bemerkbar machten. Doch niemand hätte für möglich gehalten, was geschah.
An jenem Abend machten die Mädchen wie immer erst ihre Schularbeiten und gingen dann nach dem Abendessen zu Bett. Am nächsten Morgen wachte Meena von selbst auf, weil ihre Mutter sie nicht wie üblich weckte. Zunächst blieb das Mädchen liegen und schlummerte weiter. Doch irgendwann wurde sie unruhig: Mussten sie nicht zur Schule? Also stand Meena auf, um nach ihrer Mutter zu sehen.
Sie konnte nicht mehr sprechen
Das Mädchen fand sie leblos in einer riesigen Blutlache. Meenas gellende Schreie weckten Reena. Die kleine Schwester fragte erschrocken, was passiert sei. Aber Meena konnte nicht antworten. Sie öffnete ihren Mund, doch ihre Stimme versagte. Dann sah Reena ihre tote Mutter, sah das viele Blut, die erstarrten Augen, rannte aus dem Haus, zu den Nachbarn.
Als die Nachbarn zu Hilfe eilten und in dem Haus nach dem Rechten sehen wollten, trat Prakash aus der Tür und sagte ohne Umschweife etwas Unfassbares: Er habe seine Frau in der Nacht mit einem Messer erstochen. Die entsetzten Nachbarn verständigten die Polizei. Meena und Reena sahen mit an, wie die Beamten ihren Vater verhafteten und abführten.
Nach der Tragödie nahm Prakashs Bruder die Mädchen bei sich auf. Doch die Kinder, die durch den Tod der Mutter schwer traumatisiert waren, verschlossen sich und lebten in ständiger Angst. Schließlich wandte sich der Onkel hilfesuchend an die SOS-Kinderdörfer.
Ein kleines Wunder
2003, als Meena und Reena elf und zehn Jahre alt waren, nahm das südindische SOS-Kinderdorf Alwaye-Cochin die beiden Schwestern auf. Ihre Kinderdorf-Mutter Vimala kümmerte sich liebevoll um die verstörten Mädchen. Sie ließ sie bei sich in ihrem Zimmer schlafen - wie es auch die leibliche Mutter von Meena und Reena getan hatte. Allmählich fassten die Mädchen zu Vimala Vertrauen – sie begannen zu verstehen, dass sie sicher waren und niemand ihnen etwas antun würde. Vimalas Liebe, der Beistand ihrer SOS-Geschwister und die pädagogische Betreuung im Dorf bewirkten ein kleines Wunder. Nach etwa einem Jahr, begannen Meena und Reena sich Zuhause zu fühlen.
Heute hat Meena ihr Trauma überwunden, aber ihre jüngere Schwester Reena leidet immer noch darunter. Anders als Meena, die eine gute Schülerin ist, hat Reena Lernschwierigkeiten. Doch auch ihre seelischen Wunden heilen - auch auf ihrem Gesicht zeigt sich immer öfter ein Lächeln.
* Zum Schutz der Privatsphäre haben wir den Namen des Kindes geändert und verwenden Fotos von anderen SOS-Kindern
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