Extrem vernachlässigt, unterernährt und gesundheitlich angeschlagen kam die kleine Mira schon als Kleinkind in ein ungarisches SOS-Kinderdorf. Erst ganz langsam hat sie dort gelernt, ihrer SOS-Kinderdorf-Mutter zu vertrauen und ihre Ängste zu überwinden.
"Ich hatte immer Angst. Vor der Polizei. Und vor Wasser. Nachts bin ich immer aufgewacht, weil ich schlecht geträumt habe. Ich habe dann ganz laut geschrien, bis Vera mich getröstet hat."
Vera, das ist Miras SOS-Kinderdorf-Mutter. Als man Mira zu ihr brachte, trug das Mädchen nur eine Windel, hatte Krätze und Läuse. Die Zweijährige wog gerade einmal sieben Kilogramm. Ihre Muskeln und Gelenke waren durch die Unterernährung so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass sie nicht laufen konnte. Hinzu kam das traumatische Erlebnis der Trennung von ihren Eltern. Die Zustände in ihrer leiblichen Familie waren so schlimm, dass sie ohne vorherige Ankündigung von der Polizei abgeholt und ins SOS-Kinderdorf gebracht wurden. Für ein kleines Kind kaum zu verstehen.
Erste Schritte in ein normales Leben
Mira war völlig verstört und verlangte immer wieder nach ihrer leiblichen Mutter. Sie stopfte sich wahllos alles Essbare in den Mund, aus Angst, wieder Hunger leiden zu müssen. Ihr erstes Stück Brot im SOS-Kinderdorf schluckte sie in einem Stück herunter, ohne es vorher zu kauen.
"Mira sprach kaum, als sie zu uns kam", erzählt ihre SOS-Kinderdorf-Mutter. "Sie hat immerzu geweint und wollte nach Hause zu ihren Eltern. Es war sehr schwer für sie zu verstehen, dass ich nun fortan ihre Mutter sein würde." Aber Vera gab nicht auf und tat alles, um Mira Schritt für Schritt in ein normales Leben zu führen. Ein halbes Jahr unermüdlichen Einsatzes hat es gebraucht, aber jetzt ist die Kleine auf einem sehr guten Weg.
"Wir gehören einfach zueinander"
Mira hat ihren Wortschatz mittlerweile stark erweitert und erzählt hin und wieder kleine Geschichten. Dank einer intensiven Physiotherapie haben sich ihre motorischen Fähigkeiten verbessert, und sie singt und tanzt mit ihren Geschwistern durch die Räume ihres Hauses. Die Angst vor Wasser hat sie überwunden – sie liebt es jetzt sogar, wenn sie gebadet wird und jubelt vor Freude, wenn sie mit dem Schaum spielen kann. Einen Kindergarten besucht Mira nicht, denn Vera ist davon überzeugt, dass das Mädchen auch weiterhin ganz besondere Zuwendung braucht. Und das zahlt sich aus: Hat Mira anfangs noch am ganzen Leib gezittert, sobald man sich auf sie zubewegte, ist es nun sie selbst, die die Umarmung ihrer Mutter sucht. Denn so wird Vera mittlerweile aus freien Stücken von Mira genannt: Mutter. Sie hat endlich verstanden, dass sie bei Vera sicher ist und die beiden einfach zueinander gehören.