In diesen Tagen wird Lucia aus dem SOS-Kinderdorf Malakal im Südsudan gleich zwei Briefe der Klasse 5a des Theresia-Gerhardinger-Gymnasiums in München bekommen. Sie wird darin von 30 Mädchen lesen, die alle gerne musizieren und deshalb den musischen Zweig des Gymnasiums gewählt haben. Sie wird lesen, dass sich die Mädchen freuen, nun endlich Ferien zu haben. Auf dem beigelegten Klassenfoto lächeln sie in die Kamera. Und dann kommen noch ein paar Fragen: Wie sieht es aus im Sudan? Wie lebst du? Was spielt man so bei euch?
"Unsere Klasse hat sich in zwei Gruppen aufgeteilt und jede hat einen Brief geschrieben", erklärt Charlotte Wegener (Foto: Mitte, stehend, im blauen T-Shirt), die vor einigen Monaten die Idee hatte, mit der gesamten Klasse eine SOS-Patenschaft zu übernehmen. Es war noch nicht lange her, dass der Tsunami die Küste Südasiens verwüstet hatte, und bei Charlotte war das Gefühl zurückgeblieben, irgendetwas gegen die Not in der Welt tun zu wollen. Also machte sie ihrer Klasse den Vorschlag: Wenn jede von uns einen Euro im Monat in die Klassenkasse zahlen würde, hätten wir den erforderlichen Beitrag von 31 Euro so gut wie zusammen. In der Grundschule waren die SOS-Kinderdörfer mal Unterrichtsthema gewesen und Charlotte hatte noch gut in Erinnerung, dass die Kinder dort mit ihren SOS-Müttern als Familien zusammenlebten. Eine Idee, die ihr gefiel und ihren Mitschülerinnen offenbar auch: Alle dreißig Mädchen trugen ihren Namen in die ausgelegte Liste ein.
Mit Hilfe ihrer Lehrerin übernahm die Klasse 5a wenig später die SOS-Patenschaft für Lucia, die im SOS-Kinderdorf Malakal im Südsudan am Oberlauf des Nils lebt. Lucia, deren Alter auf elf Jahre geschätzt wird, die also etwa so alt ist wie ihre deutschen Patinnen, war nach dem Tod ihres Vaters ins Kinderdorf gekommen. In ärmsten Verhältnissen lebend, war es der Mutter damals nicht mehr möglich, ihre Tochter zu ernähren. Der jahrzehntelange Bürgerkrieg hatte ihr wie vielen anderen Familien die Existenzgrundlage genommen.
Charlotte beschreibt das Foto von Lucia, das die Klasse bekommen hat, so: "Sie steht vor einer Holzhütte und sie hat ein weiß-braunes Kleid an, das wohl ihr Lieblingskleid ist. Es ist ein bisschen zu groß, aber es schaut sehr nett aus." Aus dem Begleitbrief erfuhren die Münchner Schülerinnen, dass Lucia gerne bastelt und gut in der Schule ist.
Die Klasse 5a hat sich vorgenommen, die Patenschaft zunächst für ein Jahr zu übernehmen. "Obwohl viele von uns von Anfang an für zwei Jahre waren", sagt Charlotte. Ohnehin habe die monatliche Überweisung bisher deutlich über den 31 Euro Mindestbetrag gelegen, mal haben die Eltern etwas dazu getan, mal die Kinder selbst mehr gespendet.
Nun warten die Mädchen gespannt auf die Antwort aus dem Sudan. Vielleicht liegt ja nach den Ferien schon ein Brief für sie im Fach.