Vielleicht ein Dutzend Jungen und Mädchen sollten an Bord der EUROPA kommen, damals, 1994 in Salvador, Brasilien. Aber dann stand der erste Offizier Peter Losinger im SOS-Kinderdorf, und wie hätte er denn nun die Kinder auswählen sollen? Losinger hat es gar nicht erst versucht. "Okay, ihr kommt alle mit!" hat er gesagt, und kurz darauf saßen 120 Jungs und Mädchen in den Clubsesseln der Clipper-Bar, und dort, wo die Kreuzfahrt-Gäste sonst ihre Cocktails trinken, aßen sie Eis und tranken Cola.
"Ihr kommt alle mit!" - den Satz hat Peter Losinger noch öfter gesagt, in Cochin, Indien, im chilenischen Arica, in Cebu auf den Philippinen und überall dort, wo ein Familienhaus im SOS-Kinderdorf auf den Namen MS EUROPA getauft wurde. Insgesamt neun Häuser sind es bisher, die symbolisch für zwei Millionen Euro stehen, die von den Passagieren der EUROPA im Laufe von 11 Jahren gespendet wurden - herausgekitzelt zum großen Teil von Peter Losinger.
An jedem letzten Abend einer Kreuzfahrt versteigert der erste Offizier eine handgezeichnete und gemalte Seekarte der aktuellen Reise. Für viele Gäste sei dies der schönste Abend, sagt er, es könne eine ganze Stunde vergehen, bis die Seekarte nach amerikanischer Art endlich unter den Hammer kommt. Mit sonorer Stimme treibt der Junggeselle Losinger den Preis in die Höhe, beharrlich und leidenschaftlich - 39 000 Euro waren das bisherige Spitzengebot. Nebenbei erzählt er von den SOS-Kinderdörfern, einem System, von dem er "total begeistert" sei. "In 46 Jahren Seefahrt habe ich viel von der Welt gesehen, auch sehr viel Armut, und mittendrin die SOS-Kinderdörfer: geschützte Orte, an denen die Jungen und Mädchen eine Chance bekommen. Was ich besonders wichtig finde: Die Kinderdörfer grenzen sich nicht ab, sondern öffnen ihre Schulen oder Ausbildungsstätten auch der Bevölkerung." Viele Passagiere stecken nach so einem Vortrag zusätzlich einen Geldschein in das aufgestellte Spendenhäuschen.
Noch in diesem Sommer wird Peter Losinger 65 Jahre alt und in Rente gehen. Seine Stimme klingt ein bisschen wackelig, wenn er davon erzählt. Er habe sich nun mal der Seefahrt verschrieben und wisse selbst noch nicht, was da auf ihn zukomme. Nautische Vorträge will er halten und er sei bereits gefragt worden, ob er die Versteigerungen weiterhin leiten will. Er hat zugesagt. Die SOS-Kinderdörfer seien im Laufe der Jahre eine Art Familie für ihn geworden, der er treu bleiben will. "Ich könnte mir auch vorstellen, noch mehr für die SOS-Kinderdörfer zu tun, jetzt, wo ich Zeit habe."
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