Antananarivo – Aufgrund der anhaltenden Dürre verstärken sich Armut und Hungersnot auf Madagaskar nach Angaben der SOS-Kinderdörfer massiv. "Der Süden des Landes erlebt die schlimmste Trockenheit seit rund 40 Jahren", sagt Jean-François Lepetit, Leiter der Hilfsorganisation in Madagaskar.
"Viele Flüsse und Quellen sind ausgetrocknet, große Teile der Ernte sind ausgefallen", sagt Lepetit. Drei Tropenstürme seien in diesem Jahr über die Insel gezogen und hätten die ohnehin mangelhafte Infrastruktur beschädigt. Derzeit sind fast 1,47 Millionen Menschen und damit 49 Prozent der Bevölkerung von extremer Ernährungsunsicherheit betroffen. Lepetit sagt: "Wenn ich sehe, wie die Kinder hungern und dreckiges Wasser trinken, frage ich mich: Wie könnte man sie in so einer menschenunwürdigen Situation alleine lassen?"
Die SOS-Kinderdörfer sind in den Regionen Atsimo, Andrefana und Androy aktiv und haben nun ihre Arbeit verstärkt. Eine Nothilfeaktion sei bereits 22.000 Familien zugutegekommen. Die Hilfsorganisation hat in den vergangenen Wochen im Süden des Landes sechs Hilfszentren aufgebaut, die vor allem elternlosen Kindern Schutz bieten, zugleich aber Dorfgemeinschaften in einem solidarischen Miteinander unterstützen. Mit der Einführung dieser Schutzräume gehe eine Aufklärungsarbeit zu den Rechten von Frauen und Kindern einher.
Die Dürre sowie die Folgen der Pandemie und die ausbleibenden Weizenimporte aufgrund des Ukrainekriegs hätten eine sozioökonomische Abwärtsspirale in Gang gesetzt: Hohes Bevölkerungswachstum, nicht nachhaltige landwirtschaftliche Methoden, fehlendes Wissen und schlechte Gesundheitsversorgung gingen eine fatale Wechselwirkung ein. Lepetit: "Lebensmittel-Lieferungen mildern jetzt die schlimmsten Versorgungsengpässe, stellen aber keine langfristige Lösung dar."
Daher treiben die SOS-Kinderdörfer eine nachhaltige Entwicklung in der Region voran. Die Maßnahmen umfassen Verteilung von Saatgut und das Erlernen ressourcenschonender Methoden in Fischerei, Landwirtschaft und Viehzucht. Jugendverbände, Frauenvereine oder Erzeugergemeinschaften werden vor Ort gegründet und unterstützt. Im Einsatzgebiet stehen der Bevölkerung zudem fünf Gesundheitszentren zur Verfügung. Zusätzlich bringen die SOS-Kinderdörfer eine "Mobile Klinik" auf den Weg, um auch Menschen in sehr abgelegenen Dörfern besser zu versorgen. Lepetit sagt: "Die Probleme in Madagaskar sind immens, und Kinder sind die Hauptbetroffenen."
Von der Weltbevölkerung vergessen: In zahlreichen Staaten kämpfen Kinder und Familien seit Jahren ums Überleben – im Schatten der Öffentlichkeit und zum großen Teil abgeschnitten von wirkungsvoller Hilfe. Die SOS-Kinderdörfer berichten in dieser Serie über die aktuelle Situation in Konfliktländern, in denen die Klimakrise, die Corona-Pandemie, aber auch der Krieg in der Ukraine die ohnehin katastrophale Lage weiter zugespitzt haben. Über "Vergessene Krisen" in Somalia, Madagaskar, Kolumbien, Guatemala und anderen Ländern.