Noch nie in der Nachkriegszeit waren so viele Kinder auf der Flucht. Jeder zweite Flüchtling weltweit ist ein Kind, insgesamt sind das 36 Millionen. Sie ertrinken, sterben an Hunger und Durst, werden Opfer von Menschenhandel, Kidnapping, Vergewaltigung oder Mord: Anlässlich des Weltflüchtlingstags am 20. Juni fordern die SOS-Kinderdörfer weltweit deshalb die Regierungen auf, Kinder und Jugendliche auf der Flucht und in der Migration besser zu schützen. "Wir brauchen dringend internationale Vereinbarungen und Maßnahmen, um diese Kinder und Jugendlichen vor Ausbeutung, Missbrauch und Tod zu bewahren", sagt Louay Yassin, Pressesprecher der SOS-Kinderdörfer weltweit.
53 Prozent der Flüchtlinge sind Kinder, darunter viele unbegleitet oder von ihren Familien getrennt. "Die leiden am meisten! Sie haben ihre Heimat auf der Suche nach einem besseren, sichereren Leben verlassen, stattdessen sind sie auf der Flucht großen Risiken ausgesetzt", sagt Yassin. Laut UNHCR, dem Hohen Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen, waren Ende des vergangenen Jahres 68,5 Millionen Menschen auf der Flucht. Das sind fast drei Millionen mehr als im Jahr zuvor.
Griechenland
Die Situation der Flüchtlingskinder in Griechenland ist miserabel: Laut SOS-Kinderdörfer weltweit befinden sich aktuell 22.500 Flüchtlingskinder in Griechenland, das sind 97 Prozent mehr als im Vorjahr. Unter ihnen 3150 unbegleitete Minderjährige. "Viele müssen sich prostituieren, um zu überleben", sagt der Leiter der SOS-Kinderdörfer in Griechenland, George Protopapas. Die meisten wollen weiter nach Großbritannien oder Deutschland. Da es aber kaum legale Wege gibt, um Landesgrenzen zu überqueren, sind sie auf skrupellose Schleuser und Menschenhändlern angewiesen, die ihnen über die Grenze helfen, nur um sie dann in die Prostitution zu zwingen. "Es ist unfassbar, dass wir Kinder nicht besser vor diesen Kriminellen schützen!", sagt Protopapas.
Kolumbien
Flüchtlingsfamilien aus Venezuela, die vor der Krise in ihrer Heimat ins benachbarte Kolumbien geflohen sind, sind oft lebensbedrohenden Gefahren ausgesetzt. Vor allem Mädchen und Frauen werden häufig Opfer von sexuellen Übergriffen, denen sie ohne Unterkunft schutzlos ausgeliefert sind. "Die Zahl der Missbrauchsfälle steigt rapide an. Zudem sind immer mehr junge Frauen zur Prostitution gezwungen", erklärt die Leiterin der SOS-Kinderdörfer in Kolumbien, Angela Maria Rosales.
USA
Sie werden deportiert, in Heime gebracht oder ins Gefängnis gesteckt: "An der Grenze zwischen Mexiko und den USA werden Kinder illegaler Einwanderer gezielt und gewaltsam von ihren Eltern getrennt", sagt Dirk Glas, Leiter der SOS-Kinderdörfer in Mexiko. "Das ist systematischer Kindsraub! Diese schändliche Praxis kann nicht toleriert werden." Die Hilfsorganisation berichtet, dass Eltern in Gefängnisse gesteckt würden, Kinder kämen in Heime, Pflegefamilien, Migrationszentren, manchmal sogar in Privatgefängnisse, oft hunderte Kilometer von ihren Eltern entfernt. Allein zwischen dem 6. und dem 19. Mai 2018 wurden laut offiziellen Angaben des Ministeriums für Innere Sicherheit 658 Kinder von ihren Eltern getrennt, das sind etwa 50 Kinder pro Tag, darunter auch Babys und Kleinkinder.
Bosnien-Herzegowina
Immer mehr Flüchtlinge versuchen, über Bosnien-Herzegowina in die EU einzureisen. Seit Beginn des Jahres wurden 5100 Flüchtlinge in Bosnien-Herzegowina registriert, das sind siebenmal so viele wie im gesamten letzten Jahr. "Wir sind völlig unvorbereitet", sagt Amir Omanovic, Leiter der SOS-Kinderdörfer in Bosnien-Herzegowina. "Die Situation ist ein Desaster! Die Camps sind nicht offiziell, niemand fühlt sich verantwortlich, es fehlt an Essen, Unterkünften, sanitären Anlagen und Gesundheitsversorgung. Die Menschen prügeln sich um Wasser", sagt Amir. Besonders dramatisch sei die Situation für Familien und unbegleitete Kinder. "Sie sind permanentem Stress ausgesetzt. Manche von ihnen sind bereits seit zwei, drei oder vier Jahren auf der Flucht."