Awa ist Verteidigerin, Adama Stürmerin – und zwar die unangefochtene Nummer eins in Gambia. Seit sieben Jahren in Folge ist sie die erfolgreichste Torschützin der Liga. Im letzten Jahr wurde sie zur gambischen Sportlerin des Jahres gewählt.
Als Adama und Awa am 29. August 1998 geboren wurden, war es alles andere als wahrscheinlich, dass aus den beiden Babys einmal glückliche Frauen werden würden. Bei der langen und schweren Geburt verlor ihre Mutter viel Blut, eine Woche später starb sie. Ihr trauernder Vater war mit den beiden Mädchen völlig überfordert. Zusammen mit einer Tante der Zwillinge traf er eine folgenreiche Entscheidung: Die Familie gab die Babys in die Obhut des SOS-Kinderdorfes in der Nähe der Hauptstadt Banjul.
"Unsere SOS-Mama war eine moderne Frau"
Ihre SOS-Mama päppelte die ausgemergelten Mädchen auf, sang sie in den Schlaf, schickte sie zur Schule – und ließ sie im SOS-Kinderdorf einem alten, kaputten Ball hinterherjagen. "Sie war schon damals eine moderne Frau. In vielen Familien in Gambia dürfen die Mädchen selbst heute nicht Fußball spielen. Stattdessen sollen sie zuhause bleiben und im Haushalt helfen", erzählt Awa.
"Egal, ob wir Fußball gespielt oder für die Schule gelernt haben – unsere SOS-Mutter hat immer an uns geglaubt."
"Egal, ob wir Fußball gespielt oder für die Schule gelernt haben – unsere SOS-Mutter hat immer an uns geglaubt, uns immer unterstützt. Alles, was wir heute sind, verdanken wir ihr", fasst Awa Tamba die ersten 21 Jahre ihres Lebens zusammen.
Probetraining bei Paris St. Germain
Vor zwei Jahren war die Frauenmannschaft von Paris Saint-Germain auf Adamas unersättlichen Torhunger aufmerksam geworden, lud sie zu einem Probetraining in die französische Hauptstadt ein. Doch nach zwei Wochen war Adama zurück aus Frankreich. "Die anderen Mädchen und Frauen hatten zuhause einfach bessere Trainingsbedingungen", sagt die wortkarge Stürmerin.
"Natürlich träumen wir auch nach der Absage in Paris noch von einer internationalen Karriere. Aber wir sind auch Realistinnen. Von irgendwas muss man auch satt werden. Und fürs Fußballspielen bekommen wir bislang keinen einzigen Cent", berichtet Awa.
Nachdem sie die Schule beendet hatten, übernahmen die beiden Schwestern deshalb mit einem von SOS zur Verfügung gestellten Startkapital die Cafeteria auf dem Gelände der SOS-Schule. Dort verkaufen sie unter anderem frittierte Teigtaschen, mit Hühnerfleisch gefüllte Baguettes und frittiertes Huhn. "Unsere Preise sind fair und das Geschäft läuft. Wir kommen gut über die Runden", sagt Awa stolz.
Befreundete Torhüterin ertrank bei Flucht im Mittelmeer
Das vermeintliche Heil in der Flucht zu suchen, kam den Schwestern deshalb niemals in den Sinn. Doch das gilt längst nicht für alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen im armen Gambia. Auch eine Teamkollegin der beiden, Fatim Jawara, erlitt ein furchtbares Schicksal.
Plötzlich war die Torhüterin einfach verschwunden. Im November 2016 erhielten Awa und Adama dann die traurige Bestätigung dessen, was sie schon befürchtet hatten: Ihre Teamkameradin war nach Libyen geflohen und dort an Bord eines Schleuserbootes gegangen. Der überfüllte Kahn sollte sie nach Europa bringen, doch er sank während eines heftigen Sturms. Die damals 19-Jährige ertrank zusammen mit vielen anderen Flüchtlingen im Mittelmeer.
Über den Verlust ihrer Freundin haben die beiden Schwestern viel mit ihrer SOS-Mutter gesprochen. Awa: "Natürlich ist sie mittlerweile längst im Ruhestand, aber sie ist noch immer jederzeit für uns da. Sie ist stolz auf uns, auch wenn sie sich nicht besonders für Fußball interessiert. Trotzdem bitten wir sie vor jedem Spiel für uns zu beten. Das macht sie dann auch. Vielleicht läuft es auch deshalb so gut."
Dieser Artikel erschien in der Passauer Neuen Presse im Rahmen der Weihnachtsaktion "Ein Licht im Advent" zugunsten der SOS-Kinderdörfer.