Weiße Zelte hinter einem drei Meter hohen Stacheldrahtzaun, kurz vor der serbischen Grenze: Seit Schließung der Balkanroute sitzen im mazedonischen Tabanovce hunderte Flüchtlinge fest. Auch Rashas Flucht endete in dem Camp. Nun arbeitet die 20-jährige Irakerin dort als freiwillige Helferin. Sie begrüßt Neuankömmlinge auf Arabisch, Kurdisch und Farsi, steht Hilfesuchenden als Dolmetscherin zur Seite, tröstet mit einer Umarmung. Rasha und ihre Familie wollen in Mazedonien bleiben.
Vor der Grenzschließung im Frühjahr dieses Jahres war Tabanovce ein Nadelöhr auf der Fluchtroute über den Balkan. Am 9. November 2015, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, drängten sich dort an einem einzigen Tag 11.500 Menschen auf der Durchreise. Die humanitäre Lage war am Grenzübergang dramatisch: Die Flüchtlinge warteten dort stundenlang bei strömendem Regen im Schlamm, unter ihnen unzählige Kinder, frierend, durchnässt und krank. Inzwischen hat sich die Lage grundlegend geändert: Derzeit leben im Camp rund 450 Menschen, ein Drittel davon Kinder und Jugendliche, die dort für unbestimmte Zeit bleiben.
Unterricht und Betreuung für Flüchtlingskinder
Die SOS-Kinderdörfer in Mazedonien leisten in Tabanovce seit dem vergangenen Herbst Nothilfe. Anfangs stand die humanitäre Hilfe für Kinder und Familien im Vordergrund, nun baut das SOS-Team sein tägliches Betreuungsangebot für Flüchtlingskinder aus: So werden in der SOS-Nothilfe-Kita Klassenzimmer eingerichtet.
Gemeinsam mit UNICEF organisieren die SOS-Kinderdörfer Aktivitäten für Kinder und Jugendlichen im Camp: Musik und Theater, Computer- und Sprachkurse. "Kinder brauchen einen geregelten Tagesablauf, um wieder Halt zu finden", sagt SOS-Mitarbeiter Zoran Kolekjevski, ein ehemaliger Gymnasiallehrer, der nun in Tabanovce Sprachunterricht gibt.
Asylantrag in Mazedonien
Viele Flüchtlinge im Camp hoffen darauf, doch noch über die Grenzen zu gelangen. Andere wollen in Mazedonien bleiben – so wie Rasha und ihre Familie, die in Mazedonien Asyl beantragt haben: Anfang 2016 floh die 20-Jährige zusammen mit ihrem Bruder (11), ihrer Schwester (8) und ihren Eltern aus dem Osten des Irak. Als sie Tabanovce erreichten und entlang der Eisenbahnschienen in Richtung serbischer Grenze liefen, da brach ihre Mutter nach den Strapazen der monatelangen Flucht zusammen. Rasha selbst hatte hohes Fieber. Helfer der SOS-Kinderdörfer kümmerten sich um die medizinische Versorgung der jungen Syrerin, während das mazedonische Rote Kreuz ihre Mutter ins Krankenhaus brachte.
Rasha will nun selbst helfen und verstärkt als Dolmetscherin das Freiwilligenteam im Flüchtlingscamp. Sie und ihre Familie sind mittlerweile von Tabanovce in eine Asylbewerberunterkunft am Rand von Skopje umgezogen. Sie betrachten Mazedonien bereits als ihre neue Heimat - auch wenn es einige Monate dauern kann, bis die Behörden über ihren Asylantrag entschieden haben. "Die Menschen sind freundlich und hier herrscht Frieden", sagt Rasha. "Bei uns Zuhause gibt es keinen Frieden."