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"Obwohl uns Erinnerungen und Sehnsucht quälten, kehrte für viele irgendwann so etwas wie Normalität ein. Ich hatte ein schönes Zimmer mit einem eigenen Bett und einem Schrank für meine Kleidung. Ich war auch froh, dass wir nicht mehr in den weißen Kunststoffhütten wohnen mussten, denn die Hitze dort drinnen war oft unerträglich", erzählt Cherline.
"Im Kinderdorf wurden wir jeden Morgen um halb sechs geweckt. Wir waren 14 Kinder und mussten alle rechtzeitig für die Schule fertig sein. Meine Kinderdorf-Mutter, die ich 'Tante Madeleine' nannte, machte mir die Haare – ein weißes Bändchen um die Zöpfe und zum Schluss noch einen Schuss Puder an den Hals. Weil das bei den Mädchen in Haiti als schick galt und immer noch gilt. Das war ein kleiner Luxus für mich im SOS-Kinderdorf Santo, den ich sehr genossen habe, weil ich das vorher nicht kannte. Ich wuchs auf dem Land bei meinen Eltern auf. Ich mochte ihre einfache Hütte gerne und die Tiere und die Nachbarskinder, mit denen ich spielen konnte. Aber meine Eltern lebten von Ackerbau und Viehzucht, da konnte sich niemand Kosmetik wie Puder leisten. Das Leben war einfach. Ich konnte anfangs auch nicht zur Schule gehen, denn auf dem Land gab es keine.“
"Tatsächlich ist das Kinderdorf meine Heimat geworden, auch wenn ich noch oft an zuhause und an meine Eltern denken musste. Aber hier im Dorf habe ich meine besten Freunde Darlene und andere SOS-Geschwister gefunden. Es war ein Glück im Unglück, dass ich hierhergekommen bin. Wenn nicht hier, wo hätte ich dann eine Chance auf ein neues Leben bekommen können? Es ist für mich wie ein kleines Paradies."
Die Kunststoff-Notunterkunft, in der Cherline nach dem Erdbeben eine erste Bleibe gefunden hatte, dient heute als Büro. Von damals hängen noch Zeichnungen der Kinder an der Wand. Zeichnungen, auf denen die Kinder ihre Erinnerungen, ihre Sehnsucht und oft auch ihren Schmerz zum Ausdruck gebracht haben. Zeichnungen von Eltern, Geschwistern, Tieren und Häusern, die damals zurückgeblieben sind. Die Kinder gehen im SOS-Kinderdorf ihren Weg, oft genug zuversichtlich und mutig. Aber das heißt nicht, dass sie vergessen hätten, woher sie kommen.
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