Ägypten 1979: Besuch im SOS-Kinderdorf Alexandria
Der Fotoreporter Jan Schulz hat viel gesehen von der SOS-Welt - begleiten Sie ihn auf eine Zeitreise durch drei Jahrzehnte

Da Hermann Gmeiner, der Gründer der SOS-Kinderdörfer, mit Präsident Sadat das Dorf eröffnen wollte, begleitete ich die Delegation. Ich reiste also nach Kairo und traf auf weitere Journalisten-Kollegen. Am Flughafen in Kairo kamen wir schnell durch die chaotische Pass und Zollkontrolle. Zu meiner Überraschung jedoch stand draußen schon ein Hamburger Kollege und wartete ungeduldig auf uns. Irgendwie hatte er es geschafft, eine Tür nach draußen zu erwischen, ohne die Passkontrolle zu durchlaufen. Was ihm zwar den schnellsten Weg aus dem Flughafen, aber auch Probleme bescherte. Denn ohne Einreisestempel hielt er sich illegal in Ägypten auf. Da half alles nichts: Er musste wieder rein und das Versäumte nachholen. Was dann natürlich den Rest des Tages dauerte. Doch Glück im Unglück: Der Eröffnungstermin wurde um einige Tage verschoben! So konnten wir uns in aller Ruhe einleben und im Dorf umschauen.

Am nächsten Tag dann, die große Eröffnungsfeier. Für mich begann sie mit einem Schock im Fahrstuhl, der blieb nämlich stecken – wahrscheinlich überlastet. Ich stand neben einem Ober mit einem Tablett voll mit Frühstück, das er die ganze Zeit über meinem Kopf balancierte. Das alles bei etwa 50 Grad. Gefühlte Stunden später hatte man uns befreit - viel zu spät. Denn als ich dann endlich am Kinderdorf ankam war Präsident Sadat bereits mit seinem Hubschrauber gelandet, das Tor verschlossen und kein Mensch da, der mich reinlassen konnte. Wie gut, dass wir bereits vorher Zeit hatten, das Dorf zu erkunden! Denn mir fiel ein Seiteneingang ein, den ich Tage vorher entdeckt hatte und den ich immer benutzte, um den strengen Kontrollen durch die Sicherheitskräfte, die schon Tage vor dem Besuch stattfanden, zu entgehen. Dadurch kam ich dann endlich ins Dorf, Präsident Sadat und seine Frau befanden sich auf einem Rundgang, begleitetet von fröhlichen Kindern. Das Paar schaute in viele Familienhäuser, und nahm sich viel Zeit.

Doch dann wurde es hektisch: Am Ende der Veranstaltung besuchte der Präsident das Dorfhaus, seine letzte Station. Das Auto stand bereit, ebenso der Hubschrauber 200 Meter vom Dorf entfernt, als plötzlich der bekannte "Flughafen"- Kollege auftauchte. Er redete schon die ganze Zeit auf mich ein, dass er unbedingt ein Foto von sich und Sadat brauche. Ich hatte ihm bereits Tipps gegeben, unter anderem, dass er dann halt in der Nähe des Präsidenten sein müsse, dann sei das kein Problem. Jetzt kam er zum Schluss der Veranstaltung damit an und schaute mich mit fragenden Augen an. Es war ja eigentlich alles vorbei. Da fiel mir ein, dass Sadat wahrscheinlich mit der Limousine zum Hubschrauber fahren wird, und so wies ich den Kollegen, sich neben das Auto zu stellen.
Gesagt getan. Sadat kommt aus dem Haus, geht auf den Kollegen zu, der an der hinteren Fahrzeugtür steht und drückt ihm die Hand! Wahrscheinlich nahm er an, dass dieser der offizielle Verabschieder wäre. Fast wäre mir vor Lachen die Kamera aus der Hand gefallen. Das war mein erster Kontakt zu den SOS- Kinderdörfern, und ich ahnte nicht, dass diese Verbindung bis heute 31 Jahre später halten würde.