"Ich will Teil der Lösung sein"

Jobsuche in der Corona-Krise: Auf welche Schwierigkeiten stoßen dabei junge Menschen überall auf der Welt? Interview mit Emma Thokwana (20) aus Südafrika

Immer mehr junge Menschen finden keine Arbeit: Aufgrund der Covid-19-Krise ist die Jugendarbeitslosigkeit weltweit gestiegen. Emma Thokwana (20) aus Südafrika engagiert sich im Jugendbeirat (Youth Advisory Board – YAB) von YouthCan!, der globalen Beschäftigungsinitiative der SOS-Kinderdörfer. Im Interview erklärt sie, warum sie sich für die Unterstützung von Jugendlichen einsetzt.

Was sind deine beruflichen Ziele? Was willst du erreichen?

Ich studiere Psychologie und Kriminologie, ich will Psychologin werden. Was ich beruflich machen möchte, ist: Menschen meine Unterstützung anbieten, damit sie ihr Leben zum Positiven verändern können. Ich möchte eine Agentin der Veränderung sein und Menschen inspirieren, für das einzustehen, woran sie glauben. 

Auf welche Schwierigkeiten stößt du dabei?

Mein Stipendium finanziert mir den Bachelor-Abschluss, doch nichts darüber hinaus. In Südafrika ist es aber so, dass ich ohne einen höheren Abschluss, Honours oder Master, kaum Chancen habe, als Psychologin Arbeit zu finden. Daher werde ich wohl zunächst einen Job annehmen müssen, der nichts mit meinem Studium zu tun hat. Mein Ziel ist es dann Geld anzusparen, damit ich einen höheren Abschluss machen und schließlich als Psychologin praktizieren kann. Doch es wird eine Zeit dauern, bis ich dorthin gelange, wo ich eigentlich hinmöchte. Denn in Südafrika gibt es ein großes Beschäftigungsproblem.

Gerade die Jugendarbeitslosigkeit ist in Südafrika extrem hoch, während der Covid-19-Krise ist sie auf 74 Prozent gestiegen…

Auf dem Arbeitsmarkt wird Berufserfahrung erwartet. Aber woher sollen wir die nehmen, wenn wir gerade aus der Schule, der Universität, dem College oder über einen anderen Bildungsweg kommen? Aus diesem Grund sind junge Menschen gezwungen, jeden Job anzunehmen, der sich ihnen bietet, mit niedrigen Löhnen, ausbeuterischen Arbeitsbedingungen oder geringer Arbeitsplatzsicherheit. In meinem Umfeld sehe ich ständig, mit welchen Schwierigkeiten junge Menschen zu kämpfen haben.

Kannst du mehr davon erzählen?

Eine meiner Schwestern, mit der ich im SOS-Kinderdorf aufgewachsen bin, musste zwei Jobs annehmen, um ihre Familie versorgen zu können: harte Arbeit und wenig Geld. Sie arbeitete 18 Stunden am Tag, zwischen den beiden Jobs hatte sie eine Stunde Pause und vom zweiten Job kam sie erst spät nach Hause. Schließlich kündigte sie den einen Job - weil sie einfach nicht mehr konnte.

Was macht das mit einem jungen Menschen, wenn der Druck zu groß wird?

Eine meiner engsten Freundinnen hat versucht Selbstmord zu begehen. Sie kämpfte mit Angstzuständen und Depressionen. Sie sprach nicht darüber und wir, ihre Freunde, haben auch nichts in ihrem Verhalten bemerkt, bis sie Tabletten nahm. Sie konnte es nicht mehr ertragen, aber noch alarmierender war, dass sie die ganze Zeit im Stillen litt. Psychische Gesundheit war und ist immer noch ein sensibles Thema, aber ich denke, je mehr wir darüber reden, desto besser. 

Was bedeutet es für uns als Gesellschaft, wenn die Jugend keine Perspektiven hat? 

Jugendarbeitslosigkeit trifft nicht nur junge Menschen, sondern die Gesellschaft als Ganzes und damit uns alle. Die Weltwirtschaft steckt in einer Krise und je länger diese Krise andauert, desto mehr werden junge Menschen beim Versuch, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, scheitern. Wenn wir das nicht angehen, stehen wir als Gesellschaft vor großen sozialen und wirtschaftlichen Problemen. Wenn junge Menschen keine Chance haben, Arbeit zu finden, kann dies zu Drogenabhängigkeit, Kriminalität und psychischen Problemen führen.

Welche Unterstützung kann YouthCan! jungen Menschen beim Berufseinstieg bieten?

YouthCan! steht für die Unterstützung junger Menschen, die entweder vom Verlust der elterlichen Fürsorge bedroht sind oder diese bereits verloren haben, um den Weg zu menschenwürdiger Arbeit und zur Selbstständigkeit zu finden. YouthCan! umfasst mehrere Angebote, in Südafrika gibt es zum Beispiel Programme, die jungen Menschen On-the-job-Training und Berufsberatung anbieten. Dazu gehört auch Mentoring, also Beratung und Unterstützung durch eine Mitarbeiter:in in einem Unternehmen. All dies dient dazu, junge Menschen auf ihrem Weg zur Beschäftigungsfähigkeit zu unterstützen.

Mit YouthLinks bietet YouthCan! auch eine digitale Plattform, um die Teilnehmer:innen untereinander und mit Mentor:innen aus Unternehmen zu vernetzen. Wie wichtig ist so ein Angebot in Zeiten von Lockdown und Kontaktverbot?

Während der Covid-19-Krise hat YouthCan! es möglich gemacht, dass junge Menschen sich weiterhin virtuell treffen und Unterstützung erhalten. Ich denke, dass dies auch emotional für Jugendliche und junge Erwachsene wichtig ist, die sich in dieser Zeit alleingelassen fühlen. Ich persönlich bin dankbar für diese Erfahrungen, sowohl global als auch lokal. Denn es ist ermutigend zu wissen, dass wir alle gemeinsam in dieser Situation stecken, und ich glaube, dass wir gemeinsam stärker sind.

Was ist deine Motivation, dich im Jugendbeirat von YouthCan! zu engagieren?

Ich bin überzeugt, dass die Beteiligung von Jugendlichen eine bedeutende Veränderung in der Welt bewirken kann, und ich wollte Teil der Lösung sein. Ich vertrete die jungen Menschen in meiner Region angesichts der Probleme, mit denen sie täglich konfrontiert sind. Mein Engagement im Jugendbeirat von YouthCan! zeigt mir, dass meine Stimme wichtig ist.

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