Manchmal reichen bereits ein paar Beördengänge der SOS-Sozialarbeiter, um einer Familie entscheidend zu helfen. Wie im Fall von Mirlan (13) der mit Onkel, Tante und drei Cousinen in den Bergen außerhalb des Dorfes Bosteri in Kirgisistan lebt.
Eine Straße zum Haus der Hirtenfamilie gibt es nicht, mit viel Geschick am Steuer schafft man es trotzdem, dorthin zu kommen. Auf bald 2000 Metern Höhe ist alles braun, der steinige Boden genauso wie die hohen Berge in der Ferne und die von der Sonne verbrannten niedrigen Büsche, die nur spärlich wachsen. Seit fünf Jahren wohnt Mirlan nun schon bei seinen Verwandten – sie holten ihn zu sich, weil sein Vater trank und sich nicht um ihn kümmerte. Seine Mutter war bereits nach der Geburt verschwunden.
Schafe hüten statt Schulbesuch
Früher hütete er tagsüber zusammen mit seinem Onkel eine Schafherde und träumte währenddessen davon, ebenso wie seine Cousinen in die Schule gehen zu können. Aber er durfte nicht, sosehr es Onkel und Tante auch versuchten. Seine Geburtsurkunde fehlte. Ohne die ist keine Einschulung möglich, da ließen die Behörden nicht mit sich reden. Die SOS-Familienhilfe schaffte es schließlich, das Dokument zu besorgen; inzwischen geht Mirlan das zweite Jahr in die Schule. „Ich habe mich so gefreut, dass ich endlich lernen durfte“, sagt er. Weil er sich bereits einiges bei seinen Cousinen abgeschaut hatte, kam er gleich in die dritte Klasse.
Freizeit in den Bergen: Ausreiten auf Toro
Am Nachmittag galoppiert er oft auf seinem Pferd Toro mit seiner Cousine Aidai (10) um die Wette. Oder er besucht Freunde auf anderen, weit entfernten Höfen in den Bergen. „Hier sind die Kinder frei“, sagt sein Onkel. Aber natürlich hilft Mirlan ihm auch weiterhin: Gemeinsam treiben sie die Schafe zurück in den Stall, und in den Sommerferien, wenn der Onkel mit der Herde tief in die Berge wandert und dort sein Lager aufschlägt, reitet er regelmäßig zu ihm und versorgt ihn mit Proviant.
Mirlans Traum: Sänger werden
Ob er später auch einmal Schäfer sein möchte? „Nein“, winkt Mirlan ab. Er will Sänger werden. Kein Popstar, sondern Volksliedsänger. „Warum soll er das nicht schaffen?“, fragt sein Onkel. „Er hat so eine schöne Stimme.“ Auf seine Bitte hin fängt Mirlan an zu singen – ein Lied, das die Naturschönheiten seiner Heimat preist. Sanfte, klare Töne erfüllen den Raum. Onkel und Tante strahlen vor Stolz. Noch ein weiteres Mal werden die SOS-Sozialarbeiter der Familie helfen: Es stehen weitere Behördengänge an. Kaparbek (40) und seine Frau Ainura (35) wollen Mirlan adoptieren.
Hilfe für Kinder in Not
Handeln, bevor Kinder auf der Straße landen: SOS unterstützt Familien, damit Eltern ihren Kindern aus eigener Kraft eine Perspektive bieten können.
Die Geschichte über den kleinen Hirten Mirlan der Journalistin Ulla Arens ist im Dezember 2014 in der Zeitschrift ELTERN FAMILY erschienen.