"Ich hätte nie gedacht, dass ich das schaffe"

Vor fünf Jahren war Tringa eine schüchterne junge Frau ohne klare Zukunftsperspektive. Heute ist sie eine selbstbewusste und erfolgreiche Köchin, die ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht hat.

Tringa Kllokoqi ist 29 Jahre alt und lebt in Pristina, der Hauptstadt Kosovos. Da sie aus bescheidenen Verhältnissen stammt, hatte sie nie die Möglichkeit, ihre Interessen und Träume zu verfolgen. Das hatte Folgen: Tringa war schüchtern und unsicher und hatte ständig Angst, von anderen verurteilt zu werden. 

Eine große Überraschung 

Tringas Leben änderte sich, als eine Freundin ihr von einem Projekt erzählte, das jungen Menschen in Kosovo den Einstieg in den Job erleichtert – das Beschäftigungsprogramm YEEP der SOS-Kinderdörfer. Ohne viele Erwartungen und mit einer Menge freier Zeit beschloss Tringa, es auszuprobieren. 

"Ich war arbeitslos und dachte, ich bekomme zumindest ein Zertifikat, das ich meinem Lebenslauf hinzufügen kann." Doch dann erlebte Tringa eine große Überraschung. "In der ersten Sitzung wurde mir klar – hier wird meine Stimme gehört. Ich war nicht nur eine Nummer."

"Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass ich Vertrauen in mich selbst haben kann. Ich spürte, dass ich tatsächlich erreichen kann, wovon ich träume."

Tringa Kllokoqi (29), über das YEEP-Programm der SOS-Kinderdörfer

 

Für die Berater:innen des Beschäftigungspogramms hat es höchste Priorität, dass sich die Jugendlichen im Programm wohl und sicher fühlen, damit sie ihre Gefühle frei äußern können. Diese Atmosphäre stärkte Tringas Selbstvertrauen. Mit jeder Sitzung wurde sie sicherer darin, sich auszudrücken und zu zeigen. Ihre Angst, von anderen verurteilt zu werden, verschwand langsam. 

Kindheitstraum Köchin 

Wie ein Fisch im Wasser: Mit viel Talent und Disziplin konnte Tringa ihren Traumberuf ergreifen und steht nun auf eigenen Beinen. Foto: Michael Winkler 

Gestärkt wagte Tringa etwas, das einst unerreichbar schien. "Ich wollte schon als Kind Köchin werden. Wenn andere Kinder mit Spielzeug spielten, spielte ich mit Teig", sagt Tringa lächelnd. Ihre Leidenschaft blieb jedoch viele Jahre lang ein Hobby.  

"Ich hätte nie gedacht, dass dies eines Tages mein Beruf werden würde", erinnert sich Tringa. "Wann immer ich gestresst war, wann immer ich mich nicht wohl fühlte, war es das Kochen, das mich aufmunterte. Ich wusste, dass ich ein Naturtalent in der Küche bin. Hier bei YEEP habe ich erkannt, dass Kochen sowohl meine Fähigkeit als auch meine Chance ist."

Mit Unterstützung des YEEP-Programms der SOS-Kinderdörfer sicherte sich Tringa einen Platz in einem Kurs für Küchenhelfer:innen in einem örtlichen Ausbildungszentrum. Sie versäumte keine einzige Unterrichtsstunde, absolvierte den Kurs fleißig und wurde für ihre Arbeitsmoral, Disziplin und ihr Engagement gelobt.

Parallel dazu wurde Tringa immer mutiger und fand ihre Stimme: Sie nahm aktiv an den Austausch-Gruppen im Rahmen des YEEP-Programms teil. Dort teilte sie ihre Geschichte auch mit Jugendlichen, die neu in das Projekt kamen. Sie sprach sogar auf einer Konferenz vor lokalen Regierungsvertreter:innen, vor Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen. Tringas Mut und ihre inspirierende Geschichte wurden mit großem Applaus belohnt. "Das Programm hat mich zu einer emotional starken, selbstbewussten Person gemacht, die stolz auf sich selbst ist", sagt Tringa. 

Kein langweiliger Job 

Seit einem Jahr arbeitet Tringa in einem Restaurant in einem belebten Viertel von Pristina. Ihre Arbeit ist dynamisch und unglaublich anspruchsvoll, aber Tringa meistert sie wie ein Fisch im Wasser: "Die Küche ist der Ort, an dem ich mich komplett wie ich selbst fühle." 

Tringa betrachtet das Kochen als eine Kunst und eine Wissenschaft – einerseits verlangt die Küche Disziplin, um dem Druck standzuhalten und erfolgreich im Team zu arbeiten. Andererseits erfordert der Beruf aber auch viel Flexibilität und Kreativität. "Ich weiß nicht, welche Gerichte bestellt werden und ob es Beschwerden geben wird. Man muss ständig kreativ sein. Ich liebe den künstlerischen Teil, bei dem man ständig etwas Neues entdeckt. Es ist definitiv kein langweiliger Beruf." 

Wie ein zweites Zuhause 

Auch wenn der ständige Wechsel zwischen Früh- und Nachmittagsschichten es für Tringa schwierig macht, ihre Zeit einzuteilen, findet sie doch für eine Sache immer Zeit: Wenn ihre ehemaligen Betreuer:innen aus dem YEEP-Programms anrufen, ist Tringa zur Stelle. "Es ist für mich wie ein zweites Zuhause, wo ich weiß, dass ich Unterstützung habe. Man weiß, dass jemand hinter einem steht, der sich um einen kümmert und der möchte, dass es einem gut geht."

Nita Luzha, Leiterin des YEEP-Programms in Kosovo, hat Tringa im Rahmen des Programms betreut. Die beiden verbindet noch immer eine innige und freundschaftliche Beziehung. Foto: Michael Winkler

"Durch das Programm wurde mir klar, dass ich an mir arbeiten will. Zuerst muss ich etwas an mir selbst ändern, um dann in der Lage zu sein, mein Leben und schließlich die Gesellschaft zu verändern."

 Tringa
Bis vor Kurzem undenkbar: Tringa spricht selbstbewusst vor anderen über ihre Geschichte. Foto: Michael Winkler

"Ich werde nicht aufhören"

Die junge Köchin ist fest entschlossen, sich in ihrer Karriere weiter zu verbessern. "Ich hätte nie gedacht, dass ich das schaffe", gibt sie zu. "Früher dachte ich immer, dass die besten Köche Männer sind."

Und doch ist sie jetzt hier und hat sich noch höhere Ziele gesteckt: "Ich würde gerne mein eigenes Restaurant haben. Das ist mein größter Traum." 

Tringa sagt, dass sie heute mit den Werkzeugen ausgestattet ist, die sie für die lange Reise braucht. "Ich habe gelernt, meine Emotionen zu kontrollieren und kann heute jede Situation meistern. Ich werde nicht aufhören. Ich werde weitermachen, bis ich erreicht habe, was ich wirklich will."

Was ist YEEP? 

Das Projekt Youth Empowerment Enabling Prospects (YEEP) der SOS-Kinderdörfer wird seit 2019 mit Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung umgesetzt. Das Projekt leistet einen signifikanten Beitrag zur nachhaltigen beruflichen Integration von 2.770 benachteiligten jungen Menschen in Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien und Serbien. Das Ziel ist, den Jugendlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln, die ihre Aussichten auf dem Arbeitsmarkt verbessern.  

Dazu gehören neben beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen auch praktische Arbeitserfahrungen durch Praktika oder Hospitationsprogramme, sowie der Erwerb unternehmerischer Kenntnisse und finanzieller Zuschüsse, die ihnen die Gründung eigener Kleinunternehmen ermöglichen.  

Seit 2019 hat das Projekt allein in Kosovo über 500 junge Menschen erreicht und konnte über 70 Prozent von ihnen in den Arbeitsmarkt integrieren. 

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