Endlich darf Emi zur Schule gehen! An ihrem ersten Schultag war das mazedonische Roma-Kind bereits neun Jahre alt. Ihre Eltern, beide Analphabeten, konnten sie erst mit Unterstützung der SOS-Kinderdörfer einschulen.
Emi sitzt an einem uralten Computer, Tastatur und Maus balanciert die 9-Jährige auf ihrem Schoß, denn in der drangvollen Enge der Baracke ist sonst kein Platz. Während das Mädchen tippt und klickt, zeigt sie ihrem Vater die Buchstaben und Zahlen, die sie zuvor in ihr Hausaufgabenheft geschrieben hat. Emi ist unglaublich stolz auf den brummenden Rechner mit dem flimmernden Monitor. Ihr Vater hat die betagten Geräte aus dem Sperrmüll gezogen. So wie das Bett und den Tisch in ihrem ärmlichen Zuhause. Emi, ihre kleine Schwester und ihre Eltern wohnen in einer gerade mal neun Quadratmeter großen Baracke in einem alten verrosteten Flugzeughangar am Stadtrand der mazedonischen Hauptstadt Skopje.
Emis Eltern gingen nie zur Schule
Obwohl Emi bereits neun Jahre alt ist, konnten ihre Eltern das Mädchen erst jetzt, mit Unterstützung der SOS-Kinderdörfer in Mazedonien, einschulen. Ihre Familie gehört der Roma-Minderheit an und lebt in bitterer Armut. Beide Eltern gingen nie zur Schule und sind Analphabeten. Sie besitzen keine Geburtsurkunden und Emis Vater, der früh verwaiste und auf der Straße aufwuchs, kennt nicht einmal sein genaues Alter. Als Emi zur Welt kam, meldeten ihre Eltern, die damals noch Teenager waren, die Geburt nicht. Für die Behörden existierte die Familie somit nicht. "Wenn du keinen Ausweis hast und keine Formulare ausfüllen kannst, dann bist auch kein Mensch", sagt Emis Vater bitter.
Zwei von drei Roma leben in Armut
Emis Familie ist kein Einzelfall: Ein Großteil der mazedonischen Roma lebt unterhalb der Armutsgrenze, zwei Drittel sind arbeitslos. Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung ist die Arbeitslosigkeit halb so hoch. Dramatisch ist auch die Analphabetenrate unter den Roma: Jeder vierte Mann und jede zweite Frau kann nicht Lesen und Schreiben.
"Ich habe mich geschämt"
Auf Emis Familie wurden SOS-Sozialarbeiter im vergangenen Jahr aufmerksam. "Sie lebten unter unvorstellbaren Bedingungen und waren in einer verzweifelten Lage", berichtet SOS-Sozialarbeiterin Valentina von der SOS-Familienhilfe. "Ohne amtliche Papiere konnten sie weder staatliche Unterstützung beantragen noch Emi zur Schule schicken. Und weil sie nicht lesen und schreiben konnten, hatten sie auch keine Ahnung, wie sie das hätten ändern sollen." Die Sozialarbeiterin unterstützte die Eltern bei ihren Behördengängen, um die erforderlichen Dokumente zu beantragen. Nach Monaten hatten ihre beharrlichen Bemühungen schließlich Erfolg. Endlich konnten sie Emi für die Schule anmelden. "Als ich das Formular unterzeichnen sollte, habe ich ein X gemacht, ich kann ja nicht schreiben", sagt Emis Vater. "Da habe ich mich geschämt – wie so oft."
Mit melancholischer Stimme fügt er hinzu: "Zum Glück muss ich nicht Lesen und Schreiben können, wenn ich im Müll nach Flaschen suche." Er sammelt alte Plastikfalschen und verkauft sie an eine Recyclingfirma. So verdient er etwa 30 Euro im Monat. Das reicht kaum fürs Essen.
"Die beste Lehrerin der Welt!"
Ob es Emi in der Schule gefällt? "Ja!", ruft sie mit leuchtenden Augen. "Ich habe die beste Lehrerin auf der ganzen Welt und ich habe in der Schule auch neue Freunde gefunden." Als ihr Vater dies hört, lächelt er. Fasziniert sieht ihr dem Mädchen zu, wie sie mit der Computer-Maus hantiert. "Emi ist ein kluges Mädchen und wir sind sehr glücklich, dass sie jetzt zur Schule gehen kann", sagt er. "Sie soll es einmal besser haben als wir."