Sabirin und ihre Familie leben in einer Wellblechhütte in Hargeisa, Somaliland. Lange Zeit konnten das Mädchen und seine Geschwister nicht zur Schule gehen. Doch die SOS-Kinderdörfer geben der Familie eine Perspektive.
Sabirin sitzt auf einer Matte vor der grün gestrichenen Wellblechhütte ihrer Familie und macht Hausaufgaben. Stolz zeigt die 15-Jährige ihre Schulsachen, blättert durch die Seiten ihres Mathehefts mit den Divisionsaufgaben, die sie gerade im Unterricht durchnehmen. Dann nimmt sie ihr Arabisch-Heft zur Hand. "Arabisch ist mein Lieblingsfach", sagt Sabirin, "Da bin ich die beste in meiner Klasse."
Die 15-Jährige besucht die 7. Klasse. "Ich kann jetzt wieder zur Schule gehen", sagt sie und lächelt. "Früher musste ich oft Zuhause bleiben, wenn meine Mutter das Schulgeld nicht bezahlen konnte, wir hatten einfach nichts."
Sabirin und ihre Familie leben in Somalilands Hauptstadt Hargeisa. Ihre Mutter Farhia, ihr Vater und ihre sechs Geschwister wohnen in einer Wellblechhütte, die kaum mehr Platz bietet als ein Wohncontainer. Der Vater ist chronisch krank und wie so viele in Somaliland arbeitslos - die Arbeitlosenrate liegt bei 70 Prozent und ein Großteil der Menschen in Hargeisa schlägt sich mit Gelegenheitsjobs oder als Straßenhändler:innen durch. Die Familie ist auf das Einkommen von Mutter Farhia angewiesen.
Tatkräftige Kleinunternehmerin trotzt der Corona-Krise
Farhia betreibt einen Straßenimbiss: In den Abendstunden bietet sie dort Mahlzeiten an, die sie Zuhause in ihrer Küche, einem offenen Verschlag vor der Hütte, mit ihrem Holzkohleofen zubereitet. Bevor sie und ihre Kinder Unterstützung durch die Familienhilfe der SOS-Kinderdörfer erhielten, kam die Familie kaum über die Runden. Das Geld reichte für eine Haupt- und eine Zwischenmahlzeit am Tag, zu wenig um satt zu werden, und ihre fünf Kinder im Schulalter konnten nur unregelmäßig den Unterricht besuchen.
Ein Mikrokredit der Familienhilfe ermöglichte es Farhia ihr Geschäft auszuweiten: Sie konnte mehr Lebensmittel für ihren Imbiss einkaufen und so mehr Gerichte und eine größere Auswahl anbieten. Die Rechnung ging sofort auf, Farhia hatte mehr Kunden und machte mehr Umsatz. So konnte sie das Schulgeld aufbringen - und Sabirin und ihre Geschwister konnten wieder lernen.
Doch dann kam die Corona-Krise. Aufgrund der Ausgangssperre brach Farhias Verdienst von einem Tag auf den anderen weg. Die Rettung brachte ein weiterer Mikrokredit durch die Familienhilfe: Farhia baute sich mit dem Verkauf von Holzkohle in ihrer Nachbarschaft eine neue Verdienstmöglichkeit auf. Nach dem Ende des monatelangen Lockdowns konnte sie ihren Imbiss wieder eröffnen und hat nun zwei wirtschaftliche Standbeine.
Sabirins Mutter arbeitet hart, damit ihre Kinder es einmal besser haben
Während Sabirin ihre Hausaufgaben macht, blickt ihre Mutter ihr voller Stolz über die Schulter. Die Mutter von sieben Kindern hat sich als tatkräftige Kleinunternehmerin bewiesen, doch sie ist Analphabetin, Dokumente unterzeichnet sie mit ihrem Fingerabdruck. Sie weiß, wie wichtig Bildung ist, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Dass ihre Töchter ebenso wie ihre Söhne zur Schule gehen, ist für die Mutter eine Selbstverständlichkeit.
"Jedes Kind hat das Recht in die Schule zu gehen", sagt Farhia. "Ich mache keinen Unterschied zwischen meinen Töchtern und Söhnen, sie sind für mich gleichberechtigt, alle meine fünf Kinder im Schulalter können jetzt lernen. Dafür arbeite ich hart."
"Ich will Ärztin werden"
Wie ihre Mutter ist Sabirin äußerst fleißig, sie lernt eifrig, ist ehrgeizig und liest gerne. "Jetzt haben wir sogar Strom und Licht, früher konnte ich nur mit einer Taschenlampe lernen, wenn es dunkel war. Und wir haben jetzt auch drei Mal am Tag zu essen." Wovon das Mädchen träumt? "Ich will Ärztin werden", sagt sie. "Dann kann ich anderen Menschen helfen."