Das wunderbare Gefühl, Mutter zu sein

Muntaha ist eine der SOS-Mütter im neuen Kinderdorf in Syrien

Leibliche Kinder waren Muntaha (40) nicht vergönnt. Jetzt ist sie doch noch offiziell Mama geworden – und zwar von fünf Kindern auf einen Streich.

Von Eva Fischl

SOS-Mutter Muntaha mit ihrem Sohn. Die SOS-Mama kümmert sich im neuen SOS-Kinderdorf bei Damaskus um fünf Kinder. Foto: Fares Hajibrahem
Immer wieder kommt Husam angerannt, schmeißt sich SOS-Mutter Muntaha an den Hals und will geknuddelt werden. „Er ist sehr anhänglich und braucht viele Streicheleinheiten“, sagt die 40-Jährige lachend. Seit zehn Tagen ist die kleine, rundliche Frau mit den lustigen braunen Augen offiziell Husams neue Mutter. Zu ihrem Nesthäkchen hat Muntaha  in der kurzen Zeit bereits eine innige Beziehung aufgebaut. „Es ist ein wunderbares Gefühl. Jetzt trage ich Verantwortung für meine Kinder.“

Ich liebe es eine SOS-Mutter zu sein

Zwei SOS-Familien auf einem Foto. Beide Familien sind im September 2017 ins neue Kinderdorf bei Damaskus gezogen. Foto: Fares Hajibrahem
Die Syrerin wird künftig für den fünfjährigen Husam und vier weitere Kinder im Alter von sechs, zehn, elf und zwölf Jahren sorgen, ihnen eine Mutter sein, sich ganz den Kindern verschreiben. Denn Muntaha ist eine der neuen Mütter im kürzlich eröffneten zweiten SOS-Kinderdorf bei Damaskus. „Jedes Kind hat seine eigenen Bedürfnisse“. Seit neun Jahren arbeitet die Syrerin, die aus dem Norden des Landes bei Hama stammt, für SOS. „Früher war ich Lehrerin. Ich habe keine eigene Familie. Als ich einen Fernsehbericht über SOS-Kinderdörfer gesehen habe, habe ich mich sofort in diese Idee verliebt, meinen Lebenslauf eingereicht, einen Vorstellungstermin bekommen und dann wurde ich eingestellt“, erzählt Muntaha. „Ich liebe die Arbeit im Kinderdorf.“

Die SOS-Mutter braucht viel Kraft – und war nie glücklicher

Die 40-Jährige hat zunächst eine Ausbildung bei SOS gemacht und als „Tante“ gearbeitet, anderen SOS-Müttern bei der Kinderbetreuung geholfen, sie vertreten, wenn sie krank oder auch mal im Urlaub waren. „Ich habe schon viele Kinder begleitet. Aber jetzt selbst SOS-Mutter zu sein, das bedeutet mir viel“, sagt Muntaha, „meinen Kindern schenke ich mein Herz ganz und gar.“ Das mag vielleicht ein bisschen kitschig klingen, doch so ist es gemeint. Als SOS-Mutter geht Muntaha eine große Verantwortung ein. Ab sofort ist sie Mutter von fünf Kindern, drei weitere werden im Lauf der nächsten Wochen noch hinzukommen. Als ihre feste Bezugsperson lebt sie mit den Kindern unter einem Dach. Muntaha muss es gelingen, zu jedem ihrer ihr anvertrauten Kinder eine Beziehung aufzubauen, den Buben und Mädchen Sicherheit und Geborgenheit zu schenken, sie in ihrer Entwicklung zu fördern und sie auf dem Weg in die Selbstständigkeit zu begleiten.

Der Krieg hat das Muttersein nicht einfacher gemacht

Kinder toben auf dem Spielplatz des neuen Kinderdorfs in Syrien. Foto: Fares Hajibrahem
Wie wird man allen fünf, später sogar acht Kindern gerecht? „Man muss jedes Kind nach seinen Bedürfnissen behandeln“, sagt Muntaha und kann dabei auf die lange Erfahrung als SOS-Tante zurückgreifen. „Das eine Kind braucht mehr Geduld, das andere Strenge. Aber alle brauchen sie viel Liebe.“ Der Krieg hat das Muttersein nicht einfacher gemacht. „Alles hat sich verändert. Die Kinder sind alle traumatisiert, das war vorher nicht der Fall. Das Erziehen ist schwieriger geworden“, sagt die 40-Jährige. „Der Krieg hat uns alle gebrandmarkt. Wir alle haben liebe Menschen verloren und noch immer täglich Angst um unsere Familien.“ Im SOS-Kinderdorf wachsen die Buben und Mädchen in Familien mit verlässlichen Strukturen auf. Auch bei Muntaha gibt es klare Regeln im Alltag. „Ich stehe morgens um sechs Uhr auf, wecke meine Schulkinder, mache Frühstück und bereite ihnen Pausenbrote vor“, erzählt sie.

Im Kinderdorf wachsen Kinder mit verlässlichen Strukturen auf

„Wenn die Großen außer Haus sind, steht kleine Husam auf. Dann machen wir den Haushalt, kochen Mittagessen und warten bis die Großen heimkommen. Nachmittags wird gelernt und gespielt. Abends heißt es Duschen, Abendessen, noch ein bisschen Fernsehen und dann ab ins Bett. Ich lege mich meistens eine Stunde nach den Kindern hin, weil ich selber so müde bin.“ Muntaha braucht viel Kraft – und war nie glücklicher. Der kleine Husam schleicht sich wieder an seine SOS-Mutter an. Er umklammert mit seinen kleinen Händen Muntahas Kopf, drückt seine Nase an ihrer Wange platt und gibt ihr einen laut schmatzenden Kuss. Muntaha schließt ihr Nesthäkchen fest in die Arme. Da haben sich zwei gefunden.

Dieser Artikel erschien in der Passauer Neuen Presse im Rahmen der Weihnachtsaktion zugunsten der SOS-Kinderdörfer.

 

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