Eine neue Mama für Sirah

Eine syrische Kriegswaise findet ein Zuhause im SOS-Kinderdorf

Als Sirah sechs Jahre alt war, zerstörte eine Bombe sein Elternhaus und tötete seine Mutter und seinen Vater. Noch heute erinnert sich der Junge an den Schal, den seine Mutter an ihrem Todestag trug.

Auf dem Sportplatz ist Sirah (10) am liebsten. Wenn er mit demTrainer und den anderen Jungs im SOS-Kinderdorf bei Damaskus herumtollt, kann er die schmerzhaften Erinnerungen vergessen. Seine leiblichen Eltern kamen bei einem Bombenangriff ums Leben. Foto: Philipp Hedemann

Polizist möchte er einmal werden, erzählt Sirah* (10). "Damit ich die Menschen, die ich gerne habe, beschützen kann." Seinen Berufswunsch hat der Zehnjährige vor einiger Zeit geändert, als er festgestellt hat, dass er sich seinen größten Traum nicht erfüllen können wird. "Früher wollte ich immer Zauberer werden, damit ich meine Eltern herbeizaubern kann. Aber jetzt weiß ich, dass das nicht geht", sagt Sirah.

Der Junge war gerademal sechs Jahre alt, als er seine Eltern verlor. An jenem Tag spielte er gerademit seinen älteren Brüdern auf der Straße vor seinem Elternhaus in Daria, als eine Bombe das Gebäude traf und dem Erdboden gleich machte. Der Vorort von Damaskus war unter der Kontrolle des Widerstands und Zielscheibe für Luftangriffe der Assad-Armee. Seine Mutter und sein Vater, die sich in dem Haus aufhielten, waren sofort tot. Aus den Trümmern konnte die herbeigeeilten Helfer nur noch ihre Leichen bergen.

"Sie ist eine gute Mama", sagt Sirah über seine SOS-Mutter Maysa (50). Sie verwöhnt ihre
Schützlinge gerne mit deren Lieblingsgerichten. Nur sie selbst vergisst bei den Sorgen um ihre Kinder oft das Essen.

"Als der Kleine zu uns ins Kinderdorf kam, weinte er viel und wünschte sich nur zu seinen Eltern zurück", erzählt Maysa (50), die den Jungen in ihre Familie im SOS-Kinderdorf Qodsaya bei Damaskus aufnahm. "Sirah spricht bis heute über die Farbe und das Muster des Schals, den seine Mutter an ihrem Todestag trug. Es hat viel Zeit und lange Gespräche gekostet, bis er Vertrauen zu mir aufgebaut hat", sagt Maysa. Das sei unter den schwierigen Umständen gar nicht so einfach gewesen. "Das war die Zeit, als wir das Kinderdorf in Aleppo evakuieren mussten und die Kinder und Mitarbeiter von dort bei uns in Qodsaya aufgenommen haben. Da herrschte oft ein heilloses Durcheinander", erinnert sich Maysa.

Von den sieben Kindern, die sie in ihrem Haus betreut, ist Sirah eines der Kinder, das besonders viel Aufmerksamkeit benötigt. "Er fragt mich Löcher in den Bauch, diskutiert viel und will immer alles ganz genau wissen", erzählt Maysa lachend.

"Er hat seine Situation inzwischen akzeptiert"

Seit vier Jahren ist sie nun Sirahs SOS-Mutter. Die beiden haben eine enge Beziehung aufgebaut. "Er hat seine Situation inzwischen akzeptiert. Nur wenn er seine älteren Brüder in unserer Jugendeinrichtung oder seine große Schwester in der Stadt besucht, dann kehrt er immer ganz traurig zurück", sagt Maysa. "Seine Schwester lebt in ganz schwierigen Verhältnissen. Da leidet dann auch er. Sirah hat ein gutes und großzügiges Herz. Er übernimmt gerne Verantwortung."

Auch Sirah ist mit seiner neuen Mutter ganz zufrieden. "Sie ist eine gute Mama", sagt er. "Sie deckt uns nachts zu, passt auf uns auf, wenn wir krank sind, und sie hilft mir bei den Hausaufgaben. Das hat meine Mama früher auch immer gemacht", erinnert sich der Junge. Doch am meisten schätzt Sirah die Kochkünste seiner neuen Mama, vor allem dann, wenn sie ihm sein Lieblingsgericht Bohnenmit Reis zubereitet.

"Wir müssen auch Pläne für die Zukunft machen"

An das neue Leben im Kinderdorf hat er sich gewöhnt – auch wenn er seine Eltern bis heute sehr vermisst und sich gerne an das Leben mit seiner Großfamilie in Daria zurückerinnert. "Mir geht mein rotes Fahrrad ab", erzählt Sirah. "Mit dem bin ich so gerne herumgefahren. Das hat mir mein Vater beigebracht."

Sport und Bewegung – das hat Sirah auch im Kinderdorf. Er liebt es, mit dem Trainer auf dem Bolzplatz zu sein. "Am liebsten hätte ich nur Sport und Schwimmen in der Schule", sagt Sirah. Das weiß auch seine SOS-Mutter Maysa: "Das Training tut ihm gut und stärkt sein Selbstbewusstsein", sagt sie und pocht gleichzeitig darauf, dass auch die anderen Fächer nicht zu kurz kommen. "Trotz Krieg und Evakuierung, trotz dem ganzen Chaos im Land müssen wir auch Pläne für die Zukunft machen", sagt Maysa.

* Name geändert

Dieser Artikel erschien in der Passauer Neuen Presse im Rahmen der Weihnachtsaktion "Ein Licht im Advent" zugunsten der SOS-Kinderdörfer. Die PNP-Leser haben rund eine halbe Million Euro für Kinder im Syrien-Krieg gespendet. Ein fantastisches Ergebnis! Die SOS-Kinderdörfer bedanken sich ganz herzlich bei allen Spendern!

"Vielen Dank, PNP, für Eure Unterstützung" haben die Mädchen und Jungen im SOS-Kinderdorf Qudsaya bei Damaskus auf zwei große Plakate gemalt. Sie freuen sich über die Hilfe der Menschen aus dem fernen Bayern. Foto: Lur Katt

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