Zwei tapfere Jungen und eine starke Frau

Die Spätfolgen von Tschernobyl: Wie die SOS-Kinderdörfer in Weißrussland krebskranken Kindern beistehen

 

Frühstück im SOS-Sozialzentrum: Hier wohnen Wassilij und Wowa, während sie in der nahen Krebsklinik behandelt werden.
An einem sonnigen Frühlingstag macht sich Ludmilla Jermatschonok vom SOS-Sozialzentrum Borowljany bei Minsk auf in die nahe gelegene Krebsklinik. Bei sich hat sie ihre beiden Kinder Wassilij und Wowa. Ludmilla teilt das schwere Schicksal vieler weißrussischer Mütter: Ihre Kinder haben Leukämie. Viele dieser Mütter, vor allem solche aus sehr bescheidenen Verhältnissen, finden in dieser Lebenssituation Hilfe im SOS-Sozialzentrum. Ludmillas Geschichte ist also kein Einzelfall - aber doch einmalig.

 

Angst und Ohnmacht

Die Geschichte beginnt mit einem Ereignis, das Ludmilla bis ins Innerste erschüttert: Ihr Sohn Wassilij bekommt die Diagnose "Leukämie". "Für mich war es der absolute Schock, ich konnte meinem Sohn nicht helfen", erzählt die Mutter und erinnert sich weiter: "Diese Hilflosigkeit, diese Angst, diese Ohnmacht - es war sehr, sehr schwer. Ich konnte nichts mehr essen und habe kaum geschlafen." Von ihrem Dorf im Norden Weißrusslands macht sie sich auf, um gemeinsam mit Wassilij die Chemotherapie in der Krebsklinik Borowljany durchzustehen. Sie weiß nicht, wo sie bleiben soll, während ihr Sohn behandelt wird. Oft schläft sie auf Holzbänken oder auf dem Fußboden. Wo gerade Platz ist.

 


Die Chemotherapie nimmt die Kinder sichtlich mit. Im SOS-Sozialzentrum finden sie einen geschützten Raum, wo sie sich von den Strapazen erholen können.
Geborgenheit und ein liebes Wort

Dann erfährt sie vom nahe gelegenen SOS-Sozialzentrum, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Familien zu helfen, in denen Kinder an Krebs erkrankt sind oder die in Gebieten leben, die seit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl verseucht sind. Ludmilla wird aufgenommen. "Hier haben wir einen geschützten Raum, wo sich die Kinder von den Strapazen erholen können, wo wir Geborgenheit finden, vitaminreiche Kost - und oft genug ein liebes Wort, das so kostbar sein kann in unserer Lebenslage", sagt Ludmilla.

Mutter Ludmilla und Sohn Wassilij leben monateweise im Sozialzentrum - immer dann, wenn Wassilij zur Chemo muss. Eines Tages wird Ludmilla auf ein Kind aufmerksam, das schon länger im Krankenhaus zu sein scheint. Der Kleine hat Leberkrebs. Die Ärzte und Schwestern kümmern sich um ihn, aber es scheint keine Angehörigen zu geben. Der Kleine leidet stumm, nur wenn er Hunger hat, weint er. Ludmilla erfährt, dass das der kleine Wowa ist, der keine Angehörigen hat.

 


Die Behandlung in der Krebsklinik ist für Wassilij traurige Routine.
"Wowa gehört zu uns!"

Zu dieser Zeit geht es Ludmillas Wassilij besonders schlecht, die Kräfte scheinen ihn endgültig zu verlassen. Ludmilla sagt: "Wenn mein Sohn Wassilij hier lebend herauskommt, dann nehme ich den Wowa auch mit. Er wird essen, was wir essen. Er wird das Dach über dem Kopf haben, das wir über dem Kopf haben. Er wird einer von uns sein."

Wassilij überlebt. Und Ludmilla nimmt Wowa mit. Als sie die Adoptionsformalitäten erledigt, erfährt sie Wowas Schicksal: Seine Mutter war wohl völlig hilflos und überfordert. Sie hat Wowa im Alter von drei Monaten buchstäblich aus dem Fenster geworfen. Mitten im Winter. Ein Nachbar hat ihn früh morgens auf seinem Weg zur Arbeit gefunden und halb erfroren ins Krankenhaus gebracht. Wowa überlebt.

 


Auch die jüngeren Gechwister kommen häufig mit ins SOS-Sozialzentrum. Fünf Kinder gehören zu Ludmillas Familie.
"Ich bin sehr dankbar: Wir sind am Leben!"

Und so kommt es, dass Ludmilla an diesem Frühlingstag mit zwei Kindern an der Hand ins Krebszentrum marschiert: Mit ihrem leiblichen Sohn Wassilij und mit ihrem Adoptivsohn Wowa. Beide sind noch nicht übern Berg. Aber die Mutter kämpft weiter. Wenn sie ihre Geschichte erzählt, hat sie manchmal Tränen in den Augen - aber ihre Stimme ist fest: "Wenn wir nicht von so vielen Seiten Hilfe bekommen hätten, gäbe es uns nicht mehr. Die Leute im SOS-Sozialzentrum, die Leute, die, so viel ich weiß, für dieses Projekt spenden, die Leute, die uns aus dem Ausland die nötigen Medikamente geschickt haben – all denen verdanken wir unser Leben. Und dabei kenn ich die wenigsten und habe die meisten nie gesehen. Aber ich bin sehr dankbar. Wir sind am Leben. Und das ist schon eine ganze Menge."

Dies ist die Geschichte von Ludmilla im SOS-Sozialzentrum Borowljany bei Minsk. Es ist nur eine von vielen Geschichten, Ludmilla ist nur eine von vielen Müttern, die stark genug sind, den Kampf aufzunehmen. Aber sie kann den Kampf nur dann gewinnen, wenn helfende Hände sie dabei stützen.

 

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