Während des Bürgerkriegs in Aleppo wurden 70 Prozent aller Kindergärten und Schulen zerstört. Für Muhannad war das nicht der einzige Schicksalsschlag. Dass er jetzt endlich seine Bildung wieder aufnehmen kann, bedeutet ihm viel.
Als Muhannad acht Jahre alt war, musste er plötzlich und völlig unvorbereitet die Schule abbrechen. 2015 war das. Zusammen mit seinen Eltern und zwei älteren Geschwistern lebte er im Ostteils Aleppos in Syrien, wo die ständigen Gefechte immer mehr Menschen töteten und immer mehr Gebäude zerstörten. Auch Muhannads Schule war betroffen – wie 70 Prozent der Kindergärten und Schulen in Aleppo.
Muhannad machte sich Sorgen, weil er noch längst nicht flüssig lesen konnte.
Für Muhannad war mit seinen acht Jahren bereits klar, dass hier seine Zukunft auf dem Spiel stand! Er machte sich Sorgen, weil er noch längst nicht flüssig lesen konnte und ganz sicher nicht all das gelernt hatte, was er später mal brauchen würde.
Dann kam eins zum anderen: Muhannads Familie musste ihr Zuhause verlassen und seine Mutter erkrankte schwer. Wäre die medizinische Versorgung besser gewesen, hätte sie vermutlich gerettet werden können, aber in Aleppo während des Bürgerkriegs – keine Chance! Muhannad hatte nicht mal richtig Zeit zu trauern: Gemeinsam mit seinen Geschwistern und seinem Vater wechselte er von einer Notunterkunft in die nächste, immer auf der Suche nach einem sicheren Platz. Muhannad verlor seine Lebensfreude, wurde depressiv. Und Schule war für ihn inzwischen eine längst vergangene Welt.
Als die Kämpfe in Aleppo 2017 allmählich zum Erliegen kamen, begannen die SOS-Kinderdörfer in dem Viertel Al Sukkri mit dem Wiederaufbau der Althawra-Schule, eine Nachricht, die auch Muhannads Vater erreichte. Hier hatte die Familie gelebt. Wie andere Familien auch, entschied Muhannads Vater zurückzukehren und zunächst bei Verwandten zu leben, um seine Kinder an der Schule anzumelden. Zum ersten Mal seit langem kam so etwas wie Hoffnung auf.
"Wüsste meine Mutter doch nur, wie glücklich ich bin!"
2018 – drei Jahre, nachdem er zum letzten Mal in einer Klasse gesessen hatte, stand Muhannad vor dem Tor der Althawra-Schule. Er erinnert sich: „Ich dachte, ich träume!“ Dass ausgerechnet die SOS-Kinderdörfer die Schule renovierten, ließ ihn vertrauen: Während der Zeit in den Nothilfelagern hatte sein Vater ihn regelmäßig in das SOS-Kinderschutzzentrum in Aleppo City gebracht. Hier hatte er sich wohlgefühlt und psychologische Hilfe bekommen.
In den kommenden Tagen werden die Lehrer zunächst Muhannads Wissensstand überprüfen, um zu schauen, welche Unterstützung er braucht. Wie viele der älteren Schüler wird er in eine Spezialklasse kommen, in der der Stoff von zwei Jahren in einem Jahr durchgenommen wird. Außerdem wird die Schule in zwei Schichten operieren, mit Vor- und Nachmittagsklassen. So können insgesamt 1800 Schüler unterrichtet werden.
Muhannad freut sich sehr. Er sagt: „Wüsste meine Mutter doch nur, wie glücklich ich bin!“