Die meisten Menschen stehen eher selten vor der Kamera, auch Liesel Kanne-Klaus. Es ist also nicht verwunderlich, dass sie, wie sie sagt, "etwas gehemmt" gewesen sei, als sie für einen Film über die SOS-Kinderdörfer von ihrem Engagement erzählen sollte. "Ich schaue da ganz ernst und habe den Blick nach unten gerichtet." Dabei ist Liesel Kanne-Klaus eigentlich ein heiterer Mensch, eine Frau, die offensichtlich mit ihrem Leben einverstanden ist, trotz allem; zufrieden mit den großen Entscheidungen, die sie im Laufe ihrer 77 Jahre getroffen hat.
Eine dieser Entscheidungen fällte sie 1991, kurz nachdem sie in Stuttgart in den Zug gestiegen war, der sie zurück nach Dortmund bringen sollte. In der Nähe von Stuttgart, in Oberberken, hatte sie eine alte Schulfreundin besucht, die dort gemeinsam mit ihrem Mann das SOS-Kinderdorf Württemberg leitete. Liesel Kanne-Klaus erinnert sich: "Das war das erste Mal, dass ich mit den SOS-Kinderdörfern in Berührung kam, und ich war begeistert: Die Kinder wirkten so fröhlich und dann waren da die SOS-Mütter, die tolle Arbeit leisteten, mir erschien die ganze Einrichtung so sinnvoll!" Schon im Zugabteil wusste sie, dass sie die Organisation unterstützen wollte.
Ihr erster Mann, ein Großhandelskaufmann, war 1975 bei einem Hubschrauberabsturz gestorben und hatte seiner Frau ein großes Vermögen hinterlassen. Bereits einige Jahre zuvor hatten die beiden über sein Testament gesprochen und er hatte vor allem um eines gebeten: "Tue viel Gutes!" Die Dortmunderin heiratete später ein zweites Mal und gemeinsam mit ihrem jetzigen Mann beriet sie nun, wie viel sie denn wohl spenden solle. Wenige Tage später rief sie bei den SOS-Kinderdörfern in München an und sagte einen Satz, den man dort von einer Privatperson noch nicht gehört hatte: "Ich bin daran interessiert, ein ganzes SOS-Kinderdorf zu stiften!"
Ein ganzes Dorf. Eben hatte man ein Grundstück in Köszeg, Ungarn, geschenkt bekommen, wo gebaut werden sollte. Und wirklich übernahm Liesel Kanne-Klaus die Kosten. Als der Rohbau fertig war, fuhr sie selbst nach Ungarn, freute sich, dass die Häuser solide waren und hatte das sichere Gefühl, dass sich Kinder dort wohl fühlen würden. 1993 zogen 80 Jungen und Mädchen ein.
Nach so einer großen Spende hätte niemand erwartet, dass noch mehr kommen würde, aber Liesel Kanne-Klaus hatte immer noch Geld auf dem Konto. Und nach einiger Zeit begann sie wieder zu rechnen, sprach wieder mit ihrem Mann, der sie abermals unterstützte.
Neun Jahre nach Köszeg feierte 2002 das zweite von Liesel Kanne-Klaus finanzierte SOS-Kinderdorf Eröffnung: In Nhlangano, Swasiland. Auf Fotos sitzt die Spenderin neben Mswati III, dem König des Landes. Bei der Feier singen die Jungen und Mädchen ein afrikanisches Lied für sie, von dem sie nicht viel versteht außer ein paar Wörtern: Liesel Kanne-Klaus - ihr Name ist Teil des Refrains. Anschließend ist der deutsche Botschaftsrat an der Reihe, der ihr das Bundesverdienstkreuz umhängt. Liesel Kanne-Klaus freut sich über all dies so sehr, dass ihr kaum ein paar Worte gelingen.
Bereut habe sie ihre Entscheidung kein einziges Mal. Stattdessen sei da das sichere Gefühl, das Geld an der richtigen Stelle eingesetzt zu haben. "Man kann doch sowieso nicht alles alleine ausgeben!"
Wenn Sie jemanden als Spender der Woche vorschlagen möchten, schreiben Sie bitte an: simone.kosog@sos-kd.org