Es ist ihre Geschichte und da ist sie vorsichtig mit jedem Satz. Aber ein bisschen erzählt Gertrud Brörmann doch - damit man versteht, warum sie damals in den Keller ging und später immer wieder. Schneiderin oder Gärtnerin hätte sie gerne werden wollen, nur hat das Leben sie nicht wählen lassen. Der Vater litt an Multipler Sklerose und als ältestes von zwölf Kindern musste Gertrud in der Landwirtschaft mitarbeiten. Dann, als sie selbst verheiratet und Mutter von vier Kindern war, starb ihre Tochter, 13 Jahre alt.
Gertrud Brörmann wusste nicht, wohin mit sich und ihrem Schmerz. "Ich musste irgendetwas tun. Ich hätte auch zum zehnten Mal über den Schrank putzen können, da bin ich lieber in den Keller gegangen." Dort unten konnte sie ihrer Familie aus dem Weg gehen, "für die war ich damals schwer zu ertragen", dort unten konnte sie mit ihren Händen arbeiten, das tun, was ihr lag: sie flocht Gräser, Stroh und Blumen zu Kränzen. Nach ein, zwei Stunden ging es wieder für eine Weile.
Ein Jahr später starb der Sohn einer Freundin und nun waren sie zu Zweit. "Wir haben dort unten geweint, aber auch mal eine Flasche Wein geköpft. Das war für uns Trauerarbeit." Und die Blumenkränze wurden zahlreich. Am Anfang verschenkten sie ihre Werke an Freunde, dann, als immer mehr Menschen so einen Kranz haben wollten, begannen sie Geld dafür zu nehmen. 400 DM kamen bereits im ersten Jahr zusammen. Durch Zufall las Gertrud Brörmann im Kirchenboten von den SOS-Kinderdörfern - und wusste, wem sie das Geld spenden wollte. "Ich habe selbst einmal in einem Kinderheim gearbeitet, das Konzept der SOS-Kinderdörfer erschien mir viel schlüssiger: Jungen und Mädchen wachsen in Familien auf. Und es spielt keine Rolle, welche Konfession sie haben das finde ich ganz wichtig."
Die beiden Frauen machten weiter, Jahr um Jahr mit immer mehr Aufwand – in einem ohnehin dicht gefüllten Alltag mit Familie und Landwirtschaft. Im Garten pflanzte Gertrud Brörmann Strandflieder und Strohblumen und was sich sonst für Kränze eignete, aus dem Wald holte sie Moos und trocknete es, sie nahm Stroh und Heu, Blätter und Korn mit in den Keller. Ein Raum des Hauses wurde zum Verkaufsraum, in der Diele veranstalteten die Frauen Bazare und zu den Blumenkränzen kamen Adventsgestecke. Die Frauen verkauften ihre Arbeiten bei Erntedankfesten und Märkten in ihrem Wohnort Schwagsdorf bei Osnabrück und der Umgebung. "Da heißt es am Samstagabend einpacken und Sonntag früh das Zelt aufstellen, alles auspacken, sich hinter den Stand stellen." Wenn nötig, klinkte sich die Familie ein, dann fuhren Gertrud Brörmann und ihr Mann mit dem Traktor los, um eine Tanne für die Adventskränze zu fällen.
Zwei Jahrzehnte sind inzwischen vergangen und richtig viel Geld für die SOS-Kinderdörfer ist zusammengekommen. Gertrud Brörmann ist heute Anfang 60 und sobald es ihr zuviel werde, will sie aufhören, sagt sie. Sie klingt nicht so, als wäre das bald der Fall. "Es ist schön, wenn die Menschen auf den Hof kommen. Man kann reden, bleibt in Kontakt." Nur die Sträuße machen ihr ein bisschen Kummer, die sind einfach zu gut gearbeitet. "Manche Leute haben ihren Strauß jetzt schon zehn Jahre hängen. Da sag ich immer: Schmeißt den weg und kauft euch lieber einen neuen!"