München - Jedes Jahr werden 1,5 Millionen Kinder ihrer Freiheit beraubt. Das vermelden die SOS-Kinderdörfer unter Berufung auf eine mehrjährige UN-Studie, die die Hilfsorganisation als Teil einer Expertenkommission begleitet hat. Laut der Hilfsorganisation werden demnach schätzungsweise 410.000 Jungen und Mädchen in Gefängnisse gesteckt, 330.000 aufgrund von Migration in Haft genommen und zwischen 430.000 und 680.000 Kinder unter Zwang in Heime eingewiesen. Die Dunkelziffer dürfte sogar noch höher liegen.
„Der Schaden für die Kinder ist gewaltig. In der feindseligen Atmosphäre eines Gefängnisses schaltet ihr Gehirn auf Überleben um. Alles andere wird blockiert, sowohl die körperliche, die intellektuelle, als auch die emotionale Entwicklung“, sagt Teresa Ngigi, Psychologin bei den SOS-Kinderdörfern. Häufig würden die Jungen und Mädchen in Gefangenschaft Missbrauch und Gewalt erfahren. Die langfristigen Folgen seien fatal: Viele Kinder entwickelten posttraumatische Belastungsstörungen, litten unter Lernschwierigkeiten, seien später nicht in der Lage, stabile Beziehungen aufzubauen und kämen häufiger mit dem Gesetz in Konflikt.
Ähnliche Symptome würden auch Jungen und Mädchen entwickeln, die unter Zwang in Heimen leben müssen. „Viele dieser Heime funktionieren wie militärische Anstalten, in denen die Kinder wie Soldaten gedrillt werden. Da geht es nicht mehr um Disziplin, sondern um Bestrafung. Es gibt keine Richtlinien, keine Kontrollen, die Kinder bekommen keine Liebe, haben keinerlei Mitspracherecht“, sagt Ngigi.
Kinder einzusperren, verstoße außerdem gegen die UN-Nachhaltkeitsziele. In Punkt 16.2 fordern die Vereinten Nationen, dass Missbrauch, Ausbeutung, Kinderhandel, Folter und jegliche Form von Gewalt gegen Kinder beendet werden müsse.
Ngigi sagt: „Damit sich ein Kind gut entwickeln und seine Potentiale entfalten kann, braucht es einen familiären Rahmen. Es braucht tragfähige Bindungen und muss die Möglichkeit haben, über sein eigenes Leben mitzubestimmen. Dafür setzen die SOS-Kinderdörfer sich seit Jahrzehnten ein!“
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