"Hände weg vom SOS-Kinderdorf"
Dringender Appell der SOS-Kinderdörfer an die Bürgerkriegsparteien in Syrien
15.05.13, Berlin/Damaskus - Mit einem dringenden Appell haben sich die SOS-Kinderdörfer weltweit an alle Beteiligten im syrischen Bürgerkrieg sowie die Nachbarländer gewandt: "Hände weg vom SOS-Kinderdorf Damaskus! Das SOS-Kinderdorf im Westen der syrischen Hauptstadt (33°33'32.61" N, 36°12'29.97" E) gerät immer wieder zwischen die Fronten. In dem Dorf leben 117 Kinder, etwa 20 SOS-Mütter sowie 30 bis 35 erwachsene SOS-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bitte beachten Sie diese Sicherheitszone für Kinder und die strikte Neutralität der SOS-Kinderdörfer." Die Bundesregierung wird gebeten, sich bei der syrischen Regierung und den Regierungen der Nachbarstaaten für die Sicherheit des Kinderdorfes einzusetzen.
Das SOS-Kinderdorf bei Damaskus gerät immer wieder ins Kreuzfeuer der syrischen Bürgerkriegsparteien. Das Kinderdorf liegt an einem Taleinschnitt an der Schnellstraße Beirut/Damaskus. Auf der einen Seite des Kinderdorfs sind Regierungstruppen stationiert. 200 Meter gegenüber auf der anderen Talseite stehen die Regierungsgegner. "Immer häufiger finden Kämpfe im unmittelbaren Umfeld statt. Nach 17 Uhr darf niemand das Kinderdorf verlassen", sagte der Vorstand der SOS-Kinderdörfer weltweit, Wilfried Vyslozil, am Mittwoch in Berlin.
"Die Kinder sind durch die Situation schwer traumatisiert", sagte Vyslozil. "Wir werden einen Bunker bauen müssen, um die Kinder und Mütter zu schützen." Er forderte die Bürgerkriegsparteien auf, das SOS-Kinderdorf als Kindersicherheitszone zu beachten und aus der Umgebung abzuziehen.
Die Nachbarstaaten werden in den Appell aufgenommen, da der israelische Raketenangriff am 4. Mai Gebäude in unmittelbarer Nähe des Kinderdorfs traf. Es wird befürchtet, dass weitere Angriffe das Kinderdorf treffen könnten, da im Umkreis mehrere militärische Einrichtungen existieren. Deshalb werden die exakten Koordinaten veröffentlicht.
Das SOS-Kinderdorf Damaskus musste bereits mehrfach evakuiert werden wegen der Kämpfe, konnte aber wieder bezogen werden. Derzeit befinden sich in diesem Kinderdorf auch die Kinder und Mütter des Kinderdorfs in Aleppo. "Wir konnten die Sicherheit der Kinder und Mütter in Aleppo nicht mehr gewährleisten", erklärte Vyslozil. "Deshalb haben wir uns vor einigen Monaten für eine Evakuierung entschieden."
Die Lage der Menschen in Syrien bezeichnete Vyslozil als dramatisch. Mehr als 1,5 Millionen Menschen sind innerhalb Syriens vor den Kämpfen auf der Flucht. Die SOS-Kinderdörfer leisten den Menschen in Damaskus seit geraumer Zeit Nothilfe. Allerdings sei diese Hilfe sehr gefährlich: "Alle unsere Kollegen und Helfer vor Ort sind in ständiger Gefahr. Drei inzwischen erwachsene ehemalige SOS-Kinder kamen mit ihren Familien in den Kriegswirren um. Von einem weiteren ehemaligen SOS-Kind fehlt jede Spur. Praktisch jeder SOS-Mitarbeiter hat Familienangehörige verloren", zählte Vyslozil auf. "Scharfschützen schießen auf alles, was sich bewegt, Entführungen sind an der Tagesordnung, ständig flammen die Kämpfe in anderen Gebieten auf." Dennoch wollen die SOS-Kinderdörfer die Nothilfe in den kommenden Monaten sowohl in Syrien als auch für die syrischen Flüchtlinge im Libanon und in Jordanien ausweiten.
SOS-Hilfe
Was jetzt notwendig ist:
- Es besteht eine Baugenehmigung für einen 300-Quadratmeter-Bunker im SOS-Kinderdorf Damaskus. Er kann später als Sporthalle dienen. Der Bau wird sobald wie möglich begonnen.
- Jedes SOS-Haus hat einen Notvorrat an Lebensmitteln für 40 Tage angelegt. Der Einkauf im Umkreis ist gefährlich, aber noch möglich. Die Preise für Lebensmittel liegen derzeit rund 4 Mal höher als zu Beginn des Krieges.
- Wir haben einen Notfallplan, im schlimmsten Fall Kinder und Mütter nach Damaskus in Privatwohnungen von SOS-Mitarbeitern zu evakuieren. Wir wollen keinesfalls ins Ausland, aber sollte der Krieg völlig eskalieren, dann haben wir das Hilfsangebot von SOS-Kinderdorf Libanon.
- Gespräche mit möglichst allen Seiten, dass unser Dorf nicht als "Schutzschild" missbraucht wird, sondern als Kinderschutzzone respektiert wird.
- Intensive Betreuung der Kinder: Der Krieg ist die allgegenwärtige Realität in Syrien. Das versuchen wir den Kindern zu vermitteln. Wir zeigen ihnen, wie man mit dieser Wirklichkeit umgeht, um zu verhindern, dass eine ganze Generation traumatisiert aus dem Krieg hervorgeht.
Nothilfe für Flüchtlinge in Syrien und in den Nachbarländern Libanon und Jordanien massiv auszubauen. Für die Menge der Flüchtlinge sind viel zu wenige Hilfsorganisationen im Land. SOS wird seine Flüchtlingshilfe in Syrien stark erweitern.
- Es wird neben den zwei Kinderdörfern mindestens ein drittes SOS-Kinderdorf in Homs benötigt. Es gibt tausende Kriegswaisen. Aleppo wird zu renovieren sein, noch sind die Schäden überschaubar.
- Rückführung der Flüchtlinge und Hilfe beim Wiederaufbau ihrer Existenz.
Wenn der Krieg zu Ende ist:
15. Mai 2013
Bei Rückfragen:
Louay Yassin
Pressesprecher
SOS-Kinderdörfer weltweit
Hermann-Gmeiner-Fonds Deutschland e.V.
Tel.: 089/179 14-259
E-Mail: louay.yassin@sos-kd.org
www.sos-kinderdoerfer.de