Mehr als zehn Millionen Familien kämpfen auch ein Jahr nach den verheerenden Überschwemmungen in Pakistan Tag für Tag ums Überleben. Von der Katastrophe im Jahr 2022, bei der außergewöhnlich starke Monsunregenfälle ein Drittel des Landes unter Wasser setzten, waren mehr als 33 Millionen Menschen betroffen. Etwa die Hälfte davon Kinder.
Saad Afzal, stellvertretender Leiter der SOS-Kinderdörfer in Pakistan, arbeitet direkt mit den Betroffenen vor Ort. "Ich habe mit Familien gesprochen, die seit Monaten auf der Straße leben, und zum Teil nicht einmal Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Das ist unvorstellbar. Das Problem ist, dass der Wiederaufbau ein langwieriger und schwieriger Prozess ist, für den die Menschen schlicht kein Geld haben. Ein Jahr nach den Überschwemmungen gibt es immer noch große Probleme, darunter eine unzureichende Infrastruktur", so Saad. Auch 18.590 Schulen seien beschädigt und zerstört worden, zahlreiche davon sind immer noch außer Betrieb.
Lanna Idriss, Vorständin der SOS-Kinderdörfer weltweit, weist zudem auf die psychische Belastung hin. Vor allem Kinder leiden sehr unter den Lebensbedingungen. "Die Menschen haben ihr vertrautes Zuhause und ihre gesamte Lebensgrundlage verloren. Wir versorgen sie mit dem Lebensnotwendigsten. Aber auch die psychologische Betreuung ist essenziell. Viele Flutopfer sind traumatisiert. Vor allem für Kinder ist diese Situation kaum zu ertragen. Wir geben ihnen die Möglichkeit, dem belastenden Alltag zumindest für einen Moment zu entfliehen, und sich von den seelischen Strapazen zu erholen", erklärt Idriss.
Die Lage der Kinder in Pakistan
Pakistan ist ein von Naturkatastrophen und politischer Instabilität gebeuteltes Land. Es herrschen Armut, Analphabetentum, ein schlechter Zugang zur Gesundheitsversorgung, Korruption und Terrorismus.
Unter den jahrzehntelangen politischen Unruhen und den Folgen der Naturkatastrophen leiden vor allem die Kinder. Trotz aller Fortschritte ist jedes neunte Kind in den betroffenen Gebieten mangelernährt.
Durch die Armut sind viele Kinder zum Arbeiten gezwungen. Mädchen besuchen oder beenden seltener die Schule als Jungen und ihre Bildung leidet zusätzlich unter frühzeitiger Eheschließung. Vor den Überschwemmungen von 2010 wurde schätzungsweise ein Drittel aller Mädchen verheiratet, bevor sie 18 Jahre alt waren. Es wird angenommen, dass diese Zahl nach den Überschwemmungen noch weiter gestiegen ist.
SOS-Kinderdörfer seit 1975 in Pakistan aktiv
Die SOS-Kinderdörfer sind seit 1975 in Pakistan aktiv. Aktuell unterstützen sie mit einem Nothilfe-Programm Kinder und Familien mit Lebensmitteln, Trinkwasser, Medikamenten, Hygieneartikeln, Decken und Zelten. Allein in den stark von der Flut betroffenen Regionen Sindh und Belutschistan konnten mehr als 110.000 Menschen unterstützt werden.
Hintergrund
Klimawandel, Folgen der Pandemie, Krieg in der Ukraine, Aufstände im Iran, Erdbeben in Syrien und der Türkei - nie zuvor wuchsen Kinder in einer Zeit auf, in der sich so viele schwerwiegende Krisen überlagerten. Die mediale Berichterstattung lenkt dabei den Fokus der Öffentlichkeit vor allem auf Katastrophen mit einem aktuellen Bezug. Doch in zahlreichen weiteren Regionen auf der Welt kämpfen Kinder und Familien seit Jahren ums Überleben - im Schatten der Öffentlichkeit und auf humanitäre Hilfe angewiesen. In einer Serie gehen die SOS-Kinderdörfer Krisen nach, die weitgehend im Verborgenen stattfinden und zeigen auf, warum wir die betroffenen Menschen nicht im Stich lassen dürfen. Die Serie ist Teil der Kampagne #InDenFokus. Rund 30 deutsche Hilfsorganisationen haben sich zusammengeschlossen, um gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt vergessene Krisen in den Fokus zu rücken. Ziel ist es, das Bewusstsein für das Leid der Menschen zu schärfen, weltweite Notlagen, die in den Hintergrund geraten sind, wieder sichtbarer machen und über die Arbeit von Hilfsorganisationen vor Ort zu informieren. Über "Vergessene Krisen" in Bangladesch, Haiti, Malawi und anderen Ländern.