Haben viele Kinder Kontakt zu ihren Ursprungsfamilien?
Das ist unterschiedlich. Besuche und Kontakte müssen von den Behörden autorisiert werden, auch ob sie dort übernachten dürfen oder nicht. Manche Besuche finden im SOS-Kinderdorf statt oder an bestimmten Treffpunkten, solche Treffen sind auch immer mit Überwachung. Andere Kinder und Jugendlichen dürfen das ganze Wochenende mit ihrer Familie verbringen. Die Besuche müssen immer autorisiert werden, also nur in einem stabilen und gesunden Umfeld für die Kinder.
Kennst du von jedem Kind die persönliche Geschichte?
Nein, manche wollen nicht darüber reden. Wenn sie sich von selbst öffnen, dann höre ich natürlich zu, aber ich frage nicht explizit nach. Das ist ihre Entscheidung, ob sie darüber reden wollen. Wenn sie ins SOS-Kinderdorf kommen, dann werden wir natürlich über die Situation und die Gründe informiert, warum sie zu uns kommen. Aber jedes Kind und jede:r Jugendliche hat eine unterschiedliche Geschichte, die oft viel komplizierter ist, als wir es uns vorstellen können.
Wie nimmst du das Zusammenleben wahr?
Anfangs kann es schon zu Problemen kommen, einige Kinder sind verschlossen und wütend. Nach und nach öffnen sie sich aber und gewinnen Vertrauen. Das ist ein sehr schöner Prozess, nicht nur zwischen den Kindern selbst sondern auch im Miteinander mit uns Betreuer:innen, die sich um sie kümmern. Normalerweise brauchen die Jugendlichen immer ein wenig länger, aber wenn sie sich dann wohlfühlen, sind sie oft richtig liebevoll mit den Kleinen und beschützen sie. Und auch mich unterstützen sie dann, wo immer sie können.
Etwas komplizierter ist es, wenn Kinder oder Jugendliche Verhaltensauffälligkeiten zeigen oder sehr sensibel sind. Sie brauchen dann eine viel individuellere Betreuung, ohne dass wir natürlich den Rest der Kinder außen vorlassen.
Untereinander sehen sich die Kinder wie gute Freund:innen, nicht wie Geschwister. Denn manche sind ja auch mit ihren leiblichen Geschwistern hier.
Wenn die Jugendlichen sich erst einmal wohlfühlen, sind sie sehr liebevoll mit den Kleinen und beschützen sie.
Wie verändert die Pandemie das Leben im SOS-Kinderdorf Madrid?
Wir hatten schon Zeiten, in denen die Kinder und Jugendlichen sehr eingeschränkt waren und das hat sie verständlicherweise genervt. Sie haben sich gelangweilt, manchmal waren sie sauer, weil sie drinnen bleiben mussten und es gab Tage, an denen sie einfach keine Lust hatten, eine Maske zu tragen. Als Spanien wegen COVID-19 einen Lockdown verhängte, konnten wir das Haus drei Monate lang nicht verlassen, nur zum Einkaufen. In unserem SOS-Kinderdorf haben deshalb einige der Betreuer:innen die Kinder mit zu sich nach Hause zu ihren Familien genommen während des Lockdowns.