Sabah wird Lehrerin

Nachdem ihr Mann im syrischen Bürgerkrieg verschwunden ist, musste eine junge Mutter neuen Mut finden

Sabah wollte ihren Kindern eine gute Mutter sein, aber dann geriet ihr Haus unter Beschuss und Sabas Ehemann kam nicht mehr nach Hause. Fast hätte Sabah der Mut verlassen. Trotz aller Widerstände schaffte die 29-Jährige Unglaubliches: Sie holte ihren Schulabschluss nach. Ganz ohne Hilfe wäre das nicht gegangen …

Sabah lernt gemeinsam mit ihrem Sohn. Bald wird sie als Lehrerin arbeiten und die Familie aus eigenen Stücken versorgen können.

Es war ein sichtbarer Sieg über all die Tragödien ihres Lebens: Mit 29 Jahren hielt Sabah ihr High-School-Zeugnis in Händen und damit die Aussicht, ihren Traum doch noch wahr zu machen! Seit sie sich erinnern kann, wollte sie Lehrerin werden.

Sabahs Sohn hat seinen Vater noch nie gesehen.

Lange Zeit erschien das unmöglich. Sabah war Mutter von zwei Söhnen und Stiefmutter einer Tochter und kümmerte sich zudem um ihre kranke Schwiegermutter, bei der die Familie lebte, seit ihr eigenes Haus unter Beschuss geraten war. Weder hatte Sabah Zeit noch Geld, die Schule fortzusetzen. Ihr Ehemann gilt als vermisst – ein Schicksal, das sie mit Tausenden Frauen in Syrien teilt. Es ist mittlerweile vier Jahre her, dass er plötzlich verschwand – ein Schock. Sabahs dreijähriger Sohn hat seinen Vater noch nie gesehen. "Er hat seine schönen Gesichtszüge geerbt", sagt Sabah.

Sie glaubt nach wie vor, dass ihr Ehemann lebt und wiederkommen wird. "Ich stelle mir vor, wie glücklich er sein wird, zu sehen, wie sich seine Kinder entwickelt haben", sagt sie. Nur zu lange sollte er nicht warten, vor allem für seine Mutter: Sie hat Krebs und immer, wenn sie von ihrem Sohn spreche, kommen ihr die Tränen, erzählt Sabah.

Hilfe zum richtigen Zeitpunkt

Für Sabah ist es nicht das erste Mal, dass ihr Leben aus den Fugen gerät. Als sie selbst gerade mal zwei Jahre alt war, ließen ihre Eltern sich scheiden und gaben sie zu einer Tante. Bald darauf wurde das Mädchen krank, bekam hohes Fieber. Ihre Tante versorgte sie so gut sie konnte, aber hatte kein Geld, Medikamente zu kaufen. Sabah erholte sich nie ganz: Ihr Nervensystem wurde beeinträchtigt, und bis heute hat sie Probleme beim Laufen.

Ihre eigenen Kinder sollten nie verlassen werden, das hatte sich Sabah geschworen, aber die Herausforderung, alleine für die Familie zu sorgen, war erdrückend und immer öfter verließ sie der Mut, fühlte sie sich überfordert. So kam unsere Hilfe vor zwei Jahren zum rechten Zeitpunkt! Sabahs Familie wurde in die SOS-Familienstärkung aufgenommen, bekam Unterstützung bei der Grundversorgung, Nahrung, Kleidung, Schulmaterialien. Gleichzeitig suchten wir gemeinsam mit Sabah nach langfristigen Lösungen, die es ihr ermöglichen würden, die Familie eigenständig zu versorgen.

Wenn wir Eltern stärken, können auch die Kinder ihr Potential entfalten.

Zaghaft erzählte Sabah von ihrem alten Traum, Lehrerin zu werden, aber wie sollte das gehen? Sie hatte ja nicht einmal die Schule abgeschlossen! Sabah brach in Tränen aus. Meine Kollegen ermutigten sie: "Du wirst sehen: Noch in diesem Jahr schaffst du den Vorbereitungskurs und im nächsten wirst du dein Abschlusszeugnis bekommen! Wir unterstützen dich dabei!" Sabah lacht, wenn sie sich daran erinnert. "Genauso kam es!", sagt sie. Das erste, was sie tat, nachdem sie ihre Prüfungen geschafft hatte: Sie küsste die Hände ihrer Schwiegermutter. "Ich bin ihr so dankbar, dass sie auf die Kinder aufgepasst hat, wenn ich in der Schule war – obwohl es ihr oft schlecht ging!"

Im September nun hat Sabah mit ihrem Studium begonnen. Glücklicherweise kann sie meistens von zuhause aus lernen. Manchmal sitzt sie dann zusammen mit ihren beiden älteren Kindern, die ihre Schulaufgaben machen, auch sie mit großem Erfolg, wie die Zeugnisse zeigen: Lauter beste Noten.

Bis Sabah mit der Uni fertig ist und als Lehrerin arbeiten kann, werden wir sie weiter unterstützen. Es ist so offensichtlich: Wenn wir Eltern wie Sabah stärken, dann ist das die beste Voraussetzung, dass auch ihre Kinder stark und gesund sind und ihr Potential entfalten können.

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