Karen Antonya (41) aus Armenien ist einer von über 50 SOS-Vätern in Osteuropa, die jeweils zusammen mit ihren Frauen verlassenen Jungen und Mädchen ein liebevolles Zuhause in einer SOS-Familie schenken. Seit einem Jahr kümmert sich Karen mit seiner Frau Sonya im SOS-Kinderdorf Idjevan um sieben Kinder.
Das „Eltern-Modell“ ist in der Welt der SOS-Kinderdörfer neu und bisher vor allem in Osteuropa verbreitet. Ob in Polen, Ungarn, Bulgarien oder Armenien: In über 50 SOS-Familien wachsen die Kinder dort bei einem Paar auf und werden von Mama UND Papa liebevoll umsorgt. Ein Grund dafür ist, dass viele osteuropäische Regierungen das Modell fördern. Jahrzehntelang war „SOS-Mutter“ ein typischer Frauenberuf, Männer waren und sind vor allem als Dorfleiter oder Fahrer im Einsatz. Wie Karen aus Armenien: „Seit der Gründung des Kinderdorfs war ich dort als Fahrer angestellt und habe die Kinder nachmittags zum Tanzen, zum Musikunterricht oder zu Freunden gebracht“, erzählt er. Da sie in der Nachbarschaft des Kinderdorfs lebten, besuchte seine Frau die Kinder oft und identifizierte sich immer mehr mit der SOS-Idee. Als das Dorf 2014 ein neues Paar suchte, beschlossen Karen und Sonya, ein neues Leben zu beginnen – als SOS-Eltern von sieben Kindern.
Männliches Rollenvorbild für die Söhne
„Vor allem die Jungen orientieren sich an mir, ich bin für sie ein Rollenvorbild. Sie eifern mir in allem nach und imitieren sogar meine Bewegungen. Wenn ich zum Beispiel die Hände in die Hüfte stemme, machen Khachik und Armen das sofort nach“, erzählt er. Einmal reparierte Karen sein Auto, sofort kam einer der Söhne mit seinem Spielzeugauto dazu, schnappte sich ein Werkzeug und schraubte an dessen Rädern herum.
Große Herausforderungen als SOS-Vater
Neben vielen positiven Momenten stößt Karen auch manchmal an seine Grenzen. „Vor der größten Herausforderung als SOS-Vater stand ich, als ich erfuhr, dass zwei unserer SOS-Töchter, die eine sehr schwierige Zeit in ihrer Ursprungsfamilie hinter sich haben, immer wieder klauten.“ Abends setzte er sich mit ihnen zusammen, sprach lange über das Problem und war überzeugt, dass sie ihren Fehler eingesehen hatten und sich bessern würden. „Ich kann nicht in Worte fassen, wie ich mich fühlte, als am nächsten Tag ihr Lehrer anrief, weil sie es wieder getan hatten und ihren Diebstahl auch noch abstritten. Meine Verzweiflung war groß, ich fühlte mich hilflos“, erinnert Karen sich. In diesem Fall war professionelle Unterstützung durch einen Psychologen notwendig. „Dadurch haben die beiden ihre Tat zugegeben, sich entschuldigt und versprochen, dass es nie wieder vorkommt. Und sich auch daran gehalten.“
Wertvolle Erfahrungen durch zwei leibliche Kinder
Dass die Verantwortung als Vater groß ist, wusste Karen aus persönlichen Erfahrungen vor seiner SOS-Zeit. Zusammen mit seiner Frau hat er bereits zwei leibliche Kinder aufgezogen – die Tochter ist schon verheiratet, der Sohn absolviert seinen Militärdienst. Karens Fazit über sein Selbstbild als SOS-Vater: „Unseren SOS-Kindern schenke ich wie meinen eigenen beiden Sicherheit und Zuversicht. In traditionellen armenischen Familien spielt der Vater eine sehr große Rolle, an seine starke Schulter können sich die Ehefrau und die Kinder anlehnen – und so ist das auch in unserer SOS-Familie.“