Tief in den peruanischen Anden liegt das Dorf Nueva Ciudad Inca, "die neue Inkastadt". Dort sind die Kinderrechte auf Bildung und gesunde Ernährung durch die Coronapandemie in Gefahr. Aber einige Einwohnerinnen beschließen, etwas zu verändern: Sie verwandeln ein Symbol des Aufgebens in ein Symbol des Durchhaltens.
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In ganz Peru flatterten weiße Fahnen aus den Fenstern, es war eine Antwort auf die Lockdown-Maßnahmen. Sie wehten dort monatelang: Arme Familien signalisierten damit, dass sie Hilfe brauchten, da sie kein Essen mehr hatten. Was in den Slums von Lima begann, hat sich in hunderte Gemeinden im ganzen Land ausgebreitet. Aber in Nueva Ciudad Inca, einem Dorf in den peruanischen Anden, ist dieses Symbol der Hilflosigkeit zu einem Symbol des Durchhaltens geworden.
Der solidarische Topf
Sechs Frauen wollten es nicht mehr hinnehmen, dass unzählige weiße Fahnen aus alten Säcken und Besenstielen vor den Häusern ihrer Gemeinde wehten: Sie gründeten eine Suppenküche, um ihren Mitbürger:innen zu helfen. Sie nannten diese Küche „Olla Solidaria“, den solidarischen Topf.
„Wir haben türkischen Reis gekocht, aber ohne Fleisch oder Hühnchen, denn das hatten wir nicht“, erinnert sich der 13-jährige Marco an den Tag der Eröffnung zurück. Seine Mutter war eine der Gründerinnen und Marco unterstützte sie dabei, von Tür zu Tür zu gehen, um den Menschen im Dorf zu erzählen, dass sie für nur einen peruanischen Sol – etwa 20 Cent – eine ganze Mahlzeit bekommen konnten.
An einem ganz normalen Tag während des Lockdowns halfen Freiwillige, größtenteils Frauen, mehr als 150 Kinder und 100 Erwachsene satt zu kriegen. Heute organisieren sie die Suppenküche im Haus einer Nachbarin. An der Wand hängt ein Zettel, auf dem die Schichten der Freiwilligen eingetragen sind und der Kochplan der Woche steht: heute Kürbissuppe, morgen Käsesalat. Eine örtliche Firma spendete Kochutensilien und große Töpfe.
Die Frauen kochen im Freien, mit Holz, denn sie können es sich nicht leisten, drinnen mit Gas zu kochen. Wenn das Essen fertig ist, schleppen sie die großen Töpfe nach innen, um das Essen den Nachbarinnen und Nachbarn zu servieren, die schon seit Mittag in einer Schlange anstehen.
Lateinamerika: 28 Millionen mehr Menschen in extremer Armut durch COVID-19
Die kleine Gemeinde von Nueva Ciudad Inca zeigt ein Leben, das in ganz Lateinamerika für viele Kinder und Familien bittere Realität ist: Schätzungen der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (ECLAC) zufolge werden zusätzliche 28 Millionen Menschen in der Region in extremer Armut leben, vor allem durch die wirtschaftlichen Probleme, die auf die Coronamaßnahmen zurückgehen. Am meisten davon betroffen sind Kinder, ihre Bildung, Gesundheit und Ernährung sind in Gefahr.
Im Lockdown von 2020 hatte mehr als ein Drittel der peruanischen Bevölkerung nichts mehr zu essen, viele Familien kämpfen immer noch damit, sich von diesen Einschnitten zu erholen. Es erinnert stark an die 1980er Jahre, als Hyperinflation und Wirtschaftskrise im ganzen Land Suppenküchen hervorbrachten, die sich selbst organisierten, um ihre Lebensmittelressourcen zu bündeln.
Kinder brauchen die Suppenküche
Während Alejandra Kaiser, Mitarbeiterin der SOS-Kinderdörfer in Peru, die Suppenküche fotografiert, blickt die 9-jährige Laura voller Neugier auf ihre Kamera. Sie erzählt Alejandra, dass ihre Mutter wöchentliche Schichten in der Suppenküche übernimmt und dort gemeinsam mit anderen Frauen kocht und Einkäufe erledigt. "Auch wenn ich sie dadurch momentan weniger sehe, bin ich stolz auf sie, denn sie sorgt dafür, dass andere Kinder nicht hungrig bleiben", sagt Laura. Sie trägt eine Box mit Essen für sich, ihre Mutter und ihren kleinen Bruder.
Mónica Bustos, Sozialarbeiterin der SOS-Kinderdörfer, sagt, dass die Anzahl der Mahlzeiten pro Tag variiert. Insgesamt sei mittlerweile nicht mehr so viel nötig wie anfangs, denn viele Familien haben sich ein wenig erholt. Aber in Hinblick auf die Schlange vor der Suppenküche wird deutlich: sie wird weiterhin gebraucht. So wie es scheint, sind es vor allem Kinder, die am meisten von der Suppenküche abhängen; sie kommen für eine Mahlzeit dorthin, während ihre Eltern zur Arbeit gehen oder nach Arbeit suchen.
Für viele Kinder wie Marco und Laura wird das ihre einzige volle Mahlzeit am Tag sein – sie ersetzt das Essen, das sie normalerweise in der Schule bekommen würden. Leider kann das Suppenküchenteam nur für diese eine Mahlzeit am Tag aufkommen.