Hitzestress, Armut, Hunger, Flucht: Schon jetzt leiden Kinder besonders stark unter den Auswirkungen der Klimakrise – vor allem in Ländern des globalen Südens. In Zukunft wird das noch zunehmen.
Obwohl Kinder und Jugendliche am wenigsten zum Klimawandel beitragen, sind sie überproportional stark von den Auswirkungen betroffen. Das gilt bereits jetzt, vor allem in einkommensschwachen Ländern des globalen Südens, da, wo Armut und Hunger groß sind und die Klimaveränderungen noch mehr und schlimmere Katastrophen verursachen. Der Klimawandel verstärkt die Ungleichheit, die Folgen für die Kinder sind weitreichend und betreffen alle Bereiche des Lebens: Ernährung, Entwicklung, Gesundheit.
In Somalia leiden tausende Kinder unter Dürre und Wassermangel. Foto: Carl-Gustav Lorentsen
Eine Milliarde Kinder extrem gefährdet
Unicef hat 2021 einen Klima-Risiko-Index erstellt, der zeigt, in welchen Ländern Kinder und Jugendliche klima- und umweltbedingten Gefahren und Belastungen ausgesetzt sind. Demnach sind rund eine Milliarde Kinder – das ist jedes zweite Kind weltweit – "extrem stark gefährdet". Unicef macht dabei 33 Hoch-Risiko-Länder aus, die gemeinsam nur für neun Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sind. Zu ihnen gehören viele Länder Subsahara-Afrikas, zum Beispiel die Zentralafrikanische Republik, Nigeria, die Demokratische Republik Kongo, Sudan, Äthiopien und Somalia. Auch Pakistan zählte in dem Bericht von 2021 dazu, noch bevor dort im Jahr 2022 die verheerenden Überschwemmungen tausende Menschen das Leben kosteten und Millionen zur Flucht zwangen – rund die Hälfte der Betroffenen waren und sind Kinder.
Laut dem Bericht leiden weltweit rund 920 000 Kinder unter Wasserknappheit, 820 Millionen – mehr als ein Drittel aller Kinder – unter starker Hitze. 570 Millionen Kinder seien in hohem Maß Überschwemmungen an Flüssen und Küsten ausgesetzt, 400 Millionen sind durch Wirbelstürme gefährdet.
Kinder auf der Flucht vor Katastrophen
Nicht alle Wetter-Extreme sind auf den Klimawandel zurückzuführen. Dennoch ist die Erderwärmung die Ursache dafür, dass Extremwetter wie Dürren, starke Regenfälle, Überschwemmungen, Stürme und Wirbelstürme häufiger und heftiger werden. So steigt auch die Zahl der Menschen, die wegen Katastrophen ihr Zuhause verlieren und sich im eigenen Land auf die Flucht begeben müssen. Mehr als die Hälfte der Binnen-Fluchtbewegungen (26,4 Millionen) geschahen 2023 wegen Katastrophen – Dauerregen, Hitze, Dürre, Stürme und Erbeben. Laut dem Globalen Bericht über Binnenvertriebene des Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC) mussten alleine 9,8 Millionen Mal Menschen ihr Zuhause wegen Überschwemmungen verlassen. Auch hier sind Kinder besonderen Gefahren ausgesetzt. Nicht nur haben sie ein höheres Risiko, auf der Flucht Opfer von Gewalt oder sexueller Ausbeutung zu werden. Sie leiden auch mehr unter den körperlichen und psychischen Strapazen der Flucht. Millionen Flüchtlingskinder verlieren mit der Heimat auch ihr familiäres Umfeld und die Perspektive auf eine sichere Zukunft.
Die Weltbank prognostiziert sogar, dass der Klimawandel bis 2050 zu 216 Millionen zusätzlichen Flüchtlingen führen könnte.
Viele Kinder müssen Wasser holen, anstatt zur Schule zu gehen oder zu spielen. Foto: Carl-Gustav Lorentsen
Folgen der Klimakrise: Hunger und Krankheiten
"Der Klimawandel entzieht ganzen Bevölkerungsgruppen die Lebensgrundlage und vergrößert Armut um ein Vielfaches," sagt Kira Vinke vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung im Interview mit SOS-Kinderdörfer weltweit. Die langanhaltenden Dürren in Kenia, Äthiopien und Somalia zum Beispiel und die 2023 folgenden schweren Überschwemmungen führten zu einer schweren Hungerkrise. Auch hier sind die Kinder die Schwächsten. Mangelernährung in der Kindheit kann die Entwicklung dauerhaft stören. Die Kinder sind nicht nur anfällig für Infektionskrankheiten, sondern sind oft auch kognitiv ein Leben lang beeinträchtigt – was dauerhaft ihre Bildungschancen verringert.
Mangelernährung und kein ausreichender Zugang zu sauberem Trinkwasser machen Kinder anfällig für lebensbedrohliche Infektionskrankheiten wie Denguefieber oder Cholera. Laut WHO begünstigt der Klimawandel auch die Ausbreitung von Malaria: Veränderungen der Temperaturen, der Luftfeuchtigkeit und des Niederschlags vergrößern den Lebensraum der Malaria-übertragenden Anopheles-Mücken und verlängern Zeiten mit Infektionsgefahr. Die meisten Todesopfer von Malaria sind Kinder unter fünf Jahren.
Wasserknappheit ist nicht nur wegen der gesundheitlichen Folgen ein Motor im Kreislauf aus Armut und Hunger. Besonders Mädchen müssen dann weite Wege zu sauberem Wasser gehen, um die Familie mit zu versorgen – das führt zu Schulabbrüchen und hält die Mädchen auch später in der Armut gefangen. Wie Armut gehören deswegen auch Kinderarbeit und Kinderehen zu den Folgen des Klimawandels.
Szenarien für die Zukunft
In dem aktuellen Sachstandbericht des Klimarates (IPPC) beleuchten die Expert:innen die besondere Situation der Kinder. Begrenzen wir nicht mit drastischen Maßnahmen die Erderwärmung auf 2 Grad Celsius, prognostiziert der Klimarat bis zum Jahr 2050 zusätzlich 1,4 Millionen Kinder mit schweren Entwicklungsstörungen durch Unterernährung. Kinder, die 2010 oder später geboren sind, werden auch bei einer Erderwärmung von 1,5 Grad bis zum Jahr 2100 in ihrem Leben viermal so häufig Extremwetterereignisse miterleben.
Obwohl Kinder am stärksten unter den Folgen des Klimawandels leiden, werden die Bedürfnisse von Kindern bei klimapolitischen Entscheidungen und Klimafinanzierungen weiterhin wenig berücksichtigt. Das zeigt ein Bericht der Children's Environmental Rights Initiative (CERI) von 2023, der sich mit der Verteilung der Gelder aus multilateralen Klimafonds befasst: Diese Gelder sollen helfen, den Klimawandel zu bekämpfen und die Anpassung der Menschen an die Veränderungen zu ermöglichen. Nur 2,4 Prozent dieser Gelder sind aber in den untersuchten 17 Jahren in Projekte geflossen, die die Bedürfnisse und Gefahren von Kindern besonders berücksichtigen. "Das muss sich ändern", lautet der Apell der Initiative. "Die Klimakrise ist eine Krise der Kinderrechte."
Spielen am Rande eines Flüchtlingscamps in Somaliland. Foto: Carl-Gustav Lorentsen
Klimawandel und Kinderrechte
Die UN-Kinderrechtskonvention, die 1989 verabschiedet und von 196 Staaten ratifiziert wurde, formuliert allgemeine Kinderrechte wie das Recht auf Leben, Überleben und Entwicklung (Artikel 6) und das Recht auf Gesundheit (Artikel 24). Im August 2023 hat der Kinderrechtsausschuss der Vereinten Nationen diese Rechte vor dem Hintergrund von Klimawandel und Umweltzerstörung in dem Allgemeinen Kommentar "Über Kinderrechte und Umwelt, mit Schwerpunkt Klimawandel" präzisiert und Handlungsleitlinien für die Staaten formuliert.
"Kinder haben das Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt", heißt es dort. "Die wesentlichen Elemente dieses Rechts sind für Kinder von immenser Bedeutung, denn sie umfassen saubere Luft, ein sicheres, stabiles Klima, gesunde Ökosysteme und Biodiversität, sicheres und ausreichendes Wasser, und nachhaltige Nahrungsmittel und ein von Giftstoffen freies Umfeld." Diese Rechte seien durch Klimawandel und Umweltverschmutzung gefährdet. Die Staaten seien nicht nur dafür verantwortlich, gegenwärtige Kinderrechtsverletzungen zu stoppen, sondern auch dafür, zukünftige Rechtsverletzungen zu verhindern. Die Leitlinien enthalten konkrete politische Forderungen, wie zum Beispiel den Umstieg auf erneuerbare Energien. Der Ausschuss hatte auch Kinder angehört – ein Gremium aus 13 jugendlichen Klima- und Kinderrechtsaktvist:innen arbeitete mit den Expert:innen zusammen. Im Kommentar wird auch angemahnt, dass die Perspektiven von Kindern bei umweltpolitischen Entscheidungen mehr berücksichtigt werden müssen.