Waisenkinder und Kinder ohne elterliche Betreuung bedürfen eines besonderen Schutzes und einer besonderen Fürsorge. Trotzdem werden ihre speziellen Bedürfnisse häufig ignoriert und ihre Rechte verletzt.
Kinder haben das Recht in einem familiären Umfeld aufzuwachsen, wo sie Schutz und Geborgenheit erfahren. Foto: Agnete Schlichtkrul
Der Status von Waisenkindern, ihre Überlebens- und Entwicklungschancen sind auch ein Maßstab dafür, wie es um die allgemeinen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Bedingungen in einem Staat und einer Gesellschaft bestellt ist. Obwohl sich in Teilbereichen und in bestimmten Regionen die Situation für Waisenkinder verbessert hat, kann aber keineswegs Entwarnung gegeben werden, im Gegenteil. Schon bloße Zahlen erschrecken.
Was ist ein Waisenkind?
Als Waisenkind wird ein Kind bezeichnet, das einen oder beide Elternteile verloren hat. Man unterscheidet zwischen Vollwaisen und Halbwaisen. Kinder, die nur noch einen Elternteil haben, nennt man Halbwaisen. Etwa ein Zehntel aller weltweiten Waisenkinder haben sowohl Mutter als auch Vater verloren: Sie sind Vollwaisen.
Wie viele Waisenkinder gibt es auf der Welt?
Nach UN-Schätzungen gibt es mehr als 150 Millionen Waisenkinder weltweit (Quelle: UNAIDS). Eine verlässliche Gesamtzahl aller Waisenkinder gibt es jedoch nicht. In vielen Ländern gibt es keine statistischen Erhebungen zu Kindern, die ohne Eltern oder andere Betreuungspersonen aufwachsen. Dies kann durchaus als Zeichen dafür verstanden werden, dass diese Kinder keine oder nur unzureichende Unterstützung bekommen, ihre Existenz verschleiert wird und kein ernsthafter politischer Wille besteht, sich um ihr Wohlergehen zu kümmern.
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Jedes zehnte Kind wächst ohne ausreichende elterliche Fürsorge auf
Tatsache ist, dass viele Millionen Kinder weltweit ohne elterliche Betreuung aufwachsen - ob nun als Voll- oder Halbwaisen oder weil Familien nicht in der Lage sind, sich um ihre Kinder zu kümmern. Die SOS-Kinderdörfer schätzen, dass etwa jedes zehnte Kind auf der Welt ohne ausreichende elterliche Fürsorge aufwächst – das sind etwa 240 Millionen Mädchen und Jungen.
Benachteiligung und Stigmatisierung von Waisenkindern
Das Leben auf der Straße ist die letzte Station eines Kindes, das nicht in seiner Herkunftsfamilie leben kann. Von schweren Kinderrechtsverletzungen bedroht sind aber auch Kinder, die im Netz der Großfamilie aufgefangen werden und überforderten Verwandten als Last gelten oder in überfüllten Waisenhäusern mit unzureichender Betreuung landen.
Das Fehlen einer stabilen, schützenden Familie setzt Kinder einer Vielzahl von Risikofaktoren aus. Ihre körperliche, psychische und soziale Entwicklung kann massiv beeinträchtigt werden durch: unzureichende Ernährung, fehlenden Zugang zu Bildung oder Gesundheitsversorgung und das Fehlen der emotionalen Bindung und Unterstützung, die jedes Kind braucht. Ohne einen fürsorglichen und schützenden Elternteil sind Kinder anfälliger für Vernachlässigung, Missbrauch, Diskriminierung, Ausbeutung, Kinderheirat und Armut.
Der Verlust der Familie stellt zudem ein schweres Trauma dar, das langfristige Folgen haben kann, insbesondere wenn Kindern keine Unterstützung bei der Bewältigung zuteil wird. Mangelnde Hinwendung, inadäquate Fürsorge, Ignoranz und Diskriminierung können auf dramatische Weise das Trauma von Waisenkindern intensivieren. In einigen Kulturen werden Waisenkinder stigmatisiert oder gar für den Tod der Eltern verantwortlich gemacht.
Alternative Betreuung häufig unzureichend
So gut wie alle Staaten der Welt haben die UN-Konvention über die Rechte des Kindes ratifiziert, was sich auch in Gesetzgebungen und staatlichen Initiativen zum Schutz von Kindern niederschlägt. Auch gibt es mittlerweile Empfehlungen und Maßnahmenkataloge wie z. B. die UN-Richtlinien zur alternativen Betreuung von Kindern (an denen die SOS-Kinderdörfer maßgeblich mitgearbeitet haben), die klare Vorgaben und Standards für eine qualitätsvolle, kindgerechte, die Interessen jedes einzelnen Kindes wahrnehmende alternative Betreuung außerhalb der leiblichen Familie definieren. In der Realität ist die Betreuungspraxis in vielen Bereichen jedoch meilenweit von diesen Empfehlungen entfernt - bis hin zum Extremfall, dass ein Kind überhaupt kein Zuhause und keine Bezugspersonen hat.
Viele Staaten versuchen zwar, ein Minimum an Standards in Betreuungseinrichtungen zu garantieren, es mangelt aber oft an materiellen und personellen Ressourcen und an den nötigen Mechanismen, um die Betreuungsqualität auch zu kontrollieren. Sehr oft ist die institutionelle Betreuung von Kindern etwa in Heimen und Waisenhäusern die einzige Antwort auf den Verlust der Herkunftsfamilie; familiennahe Modelle (z. B. Pflegeelternschaft, kleine familiennah gestaltete Betreuungseinheiten wie in den SOS-Kinderdörfern, Adoption) sind Einzelphänomene.