Peru: Gesundheit von Körper und Geist

Wie die SOS-Kinderdörfer indigene Familien in Peru stärken

"Ich will nicht, dass Edu und Ana Unterrichtsstoff versäumen!"

Als das Coronavirus Juliaca erreichte, herrschte in der Familie von Amanda (32) erst einmal große Ratlosigkeit. Wie sollte das mit dem virtuellen Unterricht bloß klappen? Seit Amanda im Jahr zuvor in die Familienstärkung der SOS-Kinderdörfer aufgenommen worden war, hatte sich vieles verbessert für ihre Familie: Die Kinder gingen jetzt regelmäßig zur Schule, sie mussten nicht mehr hungrig schlafen gehen und sie lebten mittlerweile in einer Wohnung, die Strom und Warmwasser hatte.

Amanda ist zu Recht stolz auf ihre Kinder Ana (links) und Edu.

Corona stellte plötzlich wieder alles in Frage, denn die Schulen wurden von einem Tag auf den anderen geschlossen. Mittlerweile haben sich die Kinder an den Unterricht in Zeiten von Corona gewöhnt: Der sechsjährige Edu, ein Erstklässler, schaltet morgens um 10:00 Uhr den staatlichen Fernsehsender an. Hier läuft um diese Zeit der Unterricht für seine Jahrgangsstufe. Bis 17:00 Uhr muss er dann seine Hausaufgaben machen.

Ana ist in der fünften Klasse, der Fernsehunterricht für ihre Jahrgangsstufe wird am Nachmittag ausgestrahlt. "Meine Kinder fotografieren ihre Hausaufgabenhefte mit meinem Handy und schicken die Fotos dann an die Lehrer. Sie telefonieren auch mit den Lehrern. Und sie recherchieren im Internet für ihre Hausaufgaben. Meine Telefongebühren sind viel höher als vor Corona, aber ich will nicht, dass Edu und Ana Unterrichtsstoff versäumen!"

Familienstärkung in Juliaca

Anhand der im südlich gelegenen Juliaca lebenden Quechua lässt sich exemplarisch aufzeigen, in welcher Weise Corona das Leben der indigenen Völkerbeeinflusst: Der dort von SOS-Sozialarbeiter:innen betreute Stamm spricht Quechua, nicht Spanisch. Folgerichtig erreichen die über die Medien verbreiteten Corona-Informationen in spanischer Sprache diese Menschen nicht.

Corona-Aufklärung in Quechua

Die SOS-Kinderdörfer stellten deshalb ihr Programm blitzschnell auf die Bedürfnisse der Bevölkerung um: Unsere Kolleg:innen vor Ort hielten Infoveranstaltungen ab und verteilten Flugblätter, beides in Quechua, um die Menschen über das Corona-Virus zu informieren und sie auf die Bedeutung von Händewaschen, Maskentragen und sozialer Distanz hinzuweisen. Im Fall von Corona stellte sich einmal mehr die große Bedeutung der indigenen Sprachen heraus.

Maskennähen im SOS-Sozialzentrum Chosica

Kulturelle Identität bewahren

Für die Arbeit der SOS-Kinderdörfer in Peru bildet der Einsatz der einheimischen Sprachen seit jeher die Grundlage der Zusammenarbeit mit den Indigenen. Denn in ihrer Muttersprache können sich Menschen stets am besten ausdrücken. Mehr noch: Unsere Mitarbeiter:innen sprechen nicht nur die Sprache der Indigenen, sie nehmen auch deren Rituale und Mythen in ihre Arbeitsmethoden auf. So finden wir viel schneller Zugang zu den Menschen, darüber hinaus stärken wir ihre kulturelle Identität, die jahrhundertelang geringgeschätzt wurde. Das kulturelle Erbe der einzelnen Ethnien wird auch lebendig gehalten, indem unsere Mitarbeiter:innen die Lebensweisen fördern, die seit Generationen zur Geschichte des jeweiligen Stamms gehören. Dazu gehören die Zucht bestimmter Nutztiere und der Anbau alter Getreidesorten, aber auch handwerkliche Fertigkeiten wie etwa das Weben von Stoffen, für die Peru in aller Welt bekannt ist.

Indigene in Peru: 48 Sprachen

In Peru gibt es 48 offiziell anerkannte Sprachen, was die Vielfältigkeit der dortigen Kultur widerspiegelt. Die indigenen Völker des Landes leben vor allem in den Bergregionen und im Dschungel. Von den zehn Programmen, die die SOS-Kinderdörfer in Peru haben, sind vier in eben diesen Regionen angesiedelt.

Ayacucho etwa, einer der Orte, an dem unsere peruanischen SOS-Mitarbeiter:innen eine Gemeinde mit 20 Familien betreuen, ist mehr als eine ganze Tagesreise vom „Basislager“, dem nächsten Sozialzentrum der SOS-Kinderdörfer, entfernt; wollen unsere Kolleg:innen dorthin reisen, bedeutet das eine lange Autofahrt, gefolgt von einer Bootstour und einem einstündigen Fußmarsch. Die Besuche einer entlegenen Gemeinde wie Ayacucho sind deshalb stets als Vier-Tage-Reisen angelegt.

Die Abgeschiedenheit vieler indigener Gemeinschaften erschwert ihnen den Zugang zu grundlegenden Gütern und Dienstleistungen wie Bildung und medizinischer Versorgung. Eines von drei Kindern muss arbeiten gehen, um das Überleben der Familie zu sichern. Zur Schule gehen sie nicht oder nur ab und an. Aufgrund fehlender Bildung und Ausbildung droht ihnen dasselbe Schicksal wie ihren Eltern und Großeltern – ein Leben als Tagelöhner. Ein unhaltbarer Zustand. Viele peruanische Ethnien sprechen nur wenig Spanisch, was schon im Alltag immer wieder Probleme aufwirft. Mit dem Ausbruch von COVID-19 kam im Frühjahr 2020 zum täglichen Überlebenskampf noch eine weitere Herausforderung hinzu.

 

Hilfe für Kinder in Not

Handeln, bevor Kinder auf der Straße landen: Die SOS-Kinderdörfer unterstützen Familien, damit Eltern ihren Kindern aus eigener Kraft eine Perspektive bieten können.

 

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