Der aktuelle Konflikt in Nahost hat nach Angaben der SOS-Kinderdörfer schwerwiegende psychologische Folgen für die Kinder auf beiden Seiten der Grenze. Eine ganze Generation werde traumatisiert.
"Die Kinder und Jugendlichen in Gaza leiden unter Ängsten, Schlafproblemen, Unruhe, Depressionen und sozialen Auffälligkeiten", sagt ein Psychologe der Hilfsorganisation in Gaza. Um ihn nicht in Gefahr zu bringen, will die Hilfsorganisation seinen Namen nicht nennen. Die größte Sorge der Kinder sei es, Eltern, Geschwister oder Freunde zu verlieren. "Sie haben Angst, ganz allein auf der Welt zurückzubleiben, es gibt keinen Ort mehr, an dem sie sich sicher fühlen", so der Psychologe. Tatsächlich haben bereits unzählige Kinder seit dem Ausbruch des Konfliktes Eltern oder Angehörige verloren. Bis zum 10. November sind in Gaza nach Schätzungen der UN über 11.000 Menschen getötet worden, darunter über 4500 Kinder. Weitere 4400 Kinder gelten als vermisst und werden zum Großteil unter Trümmern vermutet.
Auch in Israel leiden Kinder und Jugendliche unter vielfältigen psychologischen Problemen. Das israelische Psychologen-Team der Hilfsorganisation sagt: "Die Kinder befinden sich in einem Zustand von Stress und Angst. Sie schaffen es kaum, sich auf ihren Alltag zu konzentrieren und fürchten sich davor, dass sich der Krieg ausweitet." Viele würden bei jedem lauten Geräusch zusammenschrecken, sie litten unter Alpträumen und zwanghaften Gedanken. Wie in Gaza sei auch in Israel die größte Sorge der Kinder, ihre Angehörigen und Freunde zu verlieren. Dazu kommt die Angst, dass sich das Massaker der Hamas wiederholen könne. Auch in Israel sind bereits Kinder getötet worden. Von geschätzten 1200 Toten sind mindestens 31 Kinder. Unter den israelischen Geiseln der Hamas werden ebenfalls 30 Kinder vermutet.
Kinder brauchen dringend psychologische Unterstützung
Kinder auf beiden Seiten der Grenze brauchen nach Angaben der Hilfsorganisation dringend psychologische Unterstützung. "Es ist wichtig, sie jetzt nicht allein zu lassen", sagt der Psychologe in Gaza. „Wir versuchen, den Kindern vielfältig zu helfen: mit Therapien, Achtsamkeits-Trainings. Wir versuchen, sie zu beschäftigen und ihnen Ablenkung zu bieten.“
Auch die israelischen Psychologen der SOS-Kinderdörfer sehen dringenden Handlungsbedarf. "Wir müssen die Kinder jetzt unterstützen, um zu verhindern, dass sich Traumata verfestigen und zu lebenslangen Problemen führen."
Die Sorge ist groß, dass all dies nicht reichen wird. „Dies ist eine Extremsituation, die sich von allem unterscheidet, was wir kennen“, sagt das israelische Psychologen-Team. Und der Psychologe in Gaza sagt: "Am wichtigsten für die Kinder wäre es jetzt, ein Gefühl von Sicherheit wiederzuerlangen. Aber das ist unmöglich, solange die Gefechte weitergehen."
Die SOS-Kinderdörfer in Israel und Palästina
Die SOS-Kinderdörfer unterstützen Kinder, Jugendliche und Familien auf allen Seiten von Konflikten. Sie setzen sich weltweit, so auch in Israel und in Gaza, für jedes Kind ein - unabhängig von Staatsangehörigkeit, Hautfarbe, Religion oder ethnischer Zugehörigkeit. Gerade in krisengeprägten Regionen sind Kinder, vor allem ohne elterliche Fürsorge, akut gefährdet. Aufgrund der langjährigen Erfahrung in Israel und in palästinensischen Gebieten werden die SOS-Kinderdörfer auch in der derzeitigen Situation ihre Arbeit fortführen und sich weiterhin für Kinder und Familien einsetzen.