Der blutige Kampf um Mossul geht in die entscheidende Phase: Während irakische Soldaten immer weiter in die nordirakische Stadt vordringen, hat die Terrormiliz "Islamischer Staat" keine Skrupel, Zivilisten als menschliche Schutzschilde einzusetzen. Diese versuchen verzweifelt zu fliehen – unter anderem in das 70 Kilometer nördlich gelegene Dohuk. Im dortigen Camp Khanke befinden sich bereits zehntausende Flüchtlinge. Darunter auch rund 16.000 Jesiden – hauptsächlich Frauen und Kinder: "Deren Väter und Ehemänner wurden in Massenhinrichtungen gnadenlos ausradiert!", berichtet Katharina Ebel, Nothilfe-Koordinatorin der SOS-Kinderdörfer im Nordirak.
Die Mütter und Kinder seien nun komplett auf sich allein gestellt und hätten keine Zukunftsperspektive: "Sie haben nichts mehr. Ihre Gesellschaftsstruktur wurde komplett auf den Kopf gestellt: Das Familienoberhaupt wurde umgebracht und nun befinden sich die Frauen plötzlich in einer Situation, die der unseren nach dem Zweiten Weltkrieg ähnelt", so Ebel. "Jetzt sitzen die jungen Mütter – die Vergewaltigungen, den Verlust ihrer Männer sowie Heimat erleiden mussten – zusammen mit ihren Kindern, die zum Teil schwer traumatisiert von den Geschehnissen vor und auf der Flucht sind, im Camp und haben nichts zu tun." So wachse laut Ebel täglich die Verzweiflung: "Selbstmorde sind hier keine Seltenheit!"
Hilfe zur Selbsthilfe, Unterricht, Traumatherapie
Deshalb haben die SOS-Kinderdörfer ein Nothilfe-Programm im Flüchtlingscamp Khanke gestartet: Um alleinerziehenden jesidischen Müttern eine Perspektive zu geben, können diese in einem Café arbeiten: "Das ist nicht nur eine Beschäftigungstherapie für die Frauen hier, sondern auch eine einkommensgenerierende Maßnahme. Sie lernen beispielsweise eine Kosten-Nutzen-Rechnung oder wie man ein Restaurant führt. Danach sollen sie das Café eigenständig weiterführen", erklärt Ebel das Projekt. Jesidische Kinder erhalten im Rahmen des Hilfsprogramms Unterricht zum Beispiel in Englisch. Außerdem bietet SOS ihnen die Möglichkeit, mit Traumatherapeuten das Erlebte zu verarbeiten, um nicht eine komplette Generation von Kindern an den Krieg und Terror zu verlieren. In SOS-Kindertagesstätten finden sie zudem Obhut sowie die Möglichkeit, Normalität zu erfahren und Kind sein zu können. Mit mobilen Teams sollen zukünftig auch Kinder in schwer zugänglichen Gebieten Hilfe erhalten und Lehrer in Traumatherapie geschult werden.